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Wer nur fürs Wochenende lebt, verpasst fünf Siebtel der Woche ...

und ist jeden Montag ein Verlierer! Heute morgen beim Frühstück: Ein TikTok-Video geht viral. Ein junger Influencer klagt: Acht Stunden täglich arbeiten? Unmöglich! Wie soll man da noch leben? Die Empörung ist groß – und das nicht nur in den Kommentarspalten. Denn der Subtext ist klar: Arbeit ist lästig. Sie steht dem „echten Leben“ im Weg. Und damit sind wir mitten in einer Kommunikationsbaustelle, die größer ist als ein viraler Clip: Was bedeutet Arbeit eigentlich für uns, in unserer Gesellschaft, heute im Jahr 2025? Die Idee, dass Arbeit etwas ist, was „auszuhalten“ sei, und das eigentliche Leben erst nach Feierabend beginnt, ist weit verbreitet. Aber diese Idee ist auch gefährlich. Denn sie tut so, als sei jeder, der in seiner Arbeit Freude, Sinn, Stolz oder gar Identität findet, ein hoffnungsloser Fall. Das ist herabwürdigend. Die These, dass man sich nur in der Freizeit, beim Yoga-Retreat oder beim Dropshipping aus Bali selbst verwirklichen kann, ist schlicht falsch. Die Fra...

„Und was machen Sie so in Ihrer Freizeit?“ – Wenn Hobbys sprechen.

Neulich bei einer dieser Netzwerkveranstaltungen, die wir alle so genießen (hüstel). Ein Mann im Maßanzug reicht mir die Hand, sagt seinen Namen, nennt seine Position, und fragt dann die alles entscheidende Frage: „Und? Was machen Sie so in Ihrer Freizeit?“ Ich antworte höflich: „Ich schreibe, beschäftige mich mit Oldtimern und beobachte Menschen. Er nickt, professionell interessiert, aber nicht begeistert. Dann kommt sein Einsatz: „Ich bin leidenschaftlicher Golfer. Handicap 7. Und gerade aus Südafrika zurück, Business und Birdies, Sie verstehen?“ Dabei blitzt ein Lächeln auf, das gleichzeitig verheißt: Ich bin erfolgreich, gut vernetzt, stressresistent und weltgewandt. Aha. Das Hobby als Visitenkarte. Oder besser: als Kommunikationswaffe im Ellbogen-Krieg des Alltags. Hobbys sind Kommunikation, ob man will oder nicht. Was wir in unserer Freizeit tun, sagt manchmal mehr über uns aus als unser Lebenslauf. Das glaubt Ihr nicht? Hier ein paar Beispiele: Briefmarken sammeln? Zeugt von So...

„Ich war auf deiner Webseite – und wusste trotzdem nicht, was du tust“

(…aber bei manchen weiß man es sofort) Neulich saß ich mit einer Jugendamtsmitarbeiterin beim Kaffee. Sie: „Du kennst dich doch mit Kommunikation aus … schau mal bitte auf diese Webseite. Ich überlege, ob ich da anrufe.“ Ich klicke. Ladezeit. Bild erscheint. Text. Lange Sätze. Fachbegriffe. Abstrakte Worte. Nach zwei Minuten Stille fragt sie: „Und?“ Ich: „Sag du es mir – was macht der Mensch da?“ Sie: „Irgendwas mit Konflikten … vielleicht Coaching? Oder Paartherapie? Oder beides? Keine Ahnung.“ Kommt dir das bekannt vor? Webseiten, die informieren wollen – aber nach drei Absätzen noch immer nicht klar ist, was das Angebot ist, für wen, und warum genau dort. Und dann – zur Ehrenrettung der Zunft – gibt es auch die anderen. Wer auf informative Webseiten geht, findet keine Worthülsen, sondern: ✅ Klare Botschaft ganz oben: „Ich unterstütze Sie bei der Lösung von Konflikten, Problemen, Lebenskrisen.“ Kein Blabla. Keine Wischi-Waschi-Sprache. Keine Selbstbeweihräucherung. Einfach ein...

Süßes, Saures - und die kleinen Drohungen im Alltag, oder: do ut des - was ischn des?

Halloween ist gerade vorbei, und trotzdem spukt das Prinzip weiter durch unseren Alltag: „Süßes, oder es gibt Saures.“ Du gibst etwas: Zeit, ein Kompliment, ein offenes Ohr – und irgendwo im Hinterkopf flüstert eine Stimme: „Na, ein kleines Danke wäre schon schön …“ Wir alle kennen das. Denn selten ist eine Gabe völlig frei von Erwartung. Manchmal ist es nicht nur Großzügigkeit, sondern ein unausgesprochener Deal. Oder, wie es die alten Römer so präzise nannten: "do ut des" – Ich gebe, damit du gibst. Jura, 1. Semester: "Gabe schielt nach Gegengabe." Ein Grundprinzip sozialen Miteinanders, und oft auch Anlass sozialer Missverständnisse. In Beziehungen, Freundschaften, Familien und Büros ist Geben selten einseitig. Natürlich sagen wir: „Ich mach das gern.“ Aber manchmal meinen wir: „Und du dann bitte auch, wenn’s drauf ankommt.“ Denn auch, wenn wir nicht mitrechnen, wir merken, wenn das Gleichgewicht kippt. Dann wird aus Geben ein stilles Fordern. Und aus ...

Segel setzen im Wind der Worte

Der Wind …  wo kommt er her, wohin zieht er?  Ist nicht auch die Sprache, das gesprochene Wort, wie der Wind?   Er kann sanft sein, er kann stürmisch sein – doch am Ende möchte er etwas mitteilen.   Und so, wie wir ihn aufnehmen, so, wie er bei uns ankommt, so setzen wir ihn gedanklich um – den Wind.   Und unsere Sprache? Sprache ist wie der Wind. Der Wind ist unsichtbar, und doch spüren wir seine Wirkung. Genauso verhält es sich mit der Sprache: Wir sehen die Worte nicht, doch sie erreichen uns, manchmal wie eine sanfte Brise, manchmal wie ein Sturm. Sanfter Wind: Ein freundliches Wort, ein ehrliches Kompliment oder ein liebevoller Zuspruch – sie kühlen, erfrischen, tragen uns. Wir fühlen uns gestärkt und verstanden. Stürmischer Wind: Ein harscher Ton, Kritik ohne Takt, verletzende Bemerkungen – sie reißen uns aus dem Gleichgewicht, können uns umwerfen oder zumindest ins Wanken bringen. Doch wie der Wind auf ein Segel trifft, so wirken au...

Gedankenknoten lösen: Vom Berg zum Kieselstein

Kennt ihr das? Du kommst nach einem ereignisreichen Tag nach Hause. Du setzt dich hin, der frisch aufgebrühte Relax-Tee dampft in der Tasse, und du lässt den Tag noch einmal Revue passieren. „Da sind sie wieder, meine drei Probleme …“ – man hört förmlich Otto Waalkes kichern. Aussichtslos, nicht zu bewältigen, wie soll das weitergehen? Das Gedankenkarussell dreht sich in Höchstgeschwindigkeit. „Warum immer ich?“, ist dein erster Gedanke. Es könnte doch alles so einfach sein – aber nein, nicht bei mir. Der Tee ist inzwischen gut durchgezogen, du lehnst dich zurück und wartest darauf, dass er seine magische Wirkung entfaltet, so wie es auf der Packung steht. Fehlanzeige! Kurz überlegst du, dem Hersteller eine wütende E-Mail zu schreiben, dass die versprochene Wirkung des Tees nur leere Worte sind – da geht die Tür auf. Dein Partner kommt, ebenfalls erschöpft von einem langen Tag. Er bemerkt sofort die Spannung, die in der Luft liegt, und sagt: „Wirkt der Tee heute nicht? Was ist passier...

Metallica oder Helene Fischer? – Wenn das Radio im Büro zum Konflikt wird

Montagmorgen, 9 Uhr, das Büro füllt sich langsam zur Teambesprechung und zum Start in die Woche. Die Kaffeemaschine brummt, Tastaturen klappern – und im Hintergrund läuft SWR 1 Hitparade. Gerade eben sang Reinhard Mey von „Über den Wolken“, als plötzlich Metallica mit harten Gitarrenriffs übernimmt. Kollege Sven reißt begeistert die Arme hoch: „Endlich mal richtige Musik!“ Kollegin Anita verzieht das Gesicht: „Das ist ja furchtbar, wie soll man denn dabei arbeiten?“ Noch bevor der Streit abebbt, folgt Helene Fischer mit „Atemlos durch die Nacht“. Jetzt verdreht auch Kollege Sven die Augen: „Das halte ich nicht aus.“ Und so sind die Fronten klar: Musikgeschmack im Büro – ein Konflikt, der mit schöner Regelmäßigkeit aufflammt, nicht nur hier bei uns. Musik hat eine unglaubliche emotionale Kraft. Was für den einen Motivation ist, bedeutet für die andere Stress. Die SWR 1 Hitparade liefert mit ihrer Mischung aus allen Genres eine perfekte Bühne für dieses Spannungsfeld: Von Oldies bis Roc...