Konfliktbaustelle – Eis, Emotionen und 20 Euro: Was hier wirklich kommuniziert wird
Ein Facebook-Nutzer postet:
„Gestern musste ich 20 Euro für 4 Kugeln Eis bezahlen!“
Dazu ein Foto des Kassenbons: 12,98 € für zwei Eisbecher – der Rest war Trinkgeld.
Klingt nach einem kleinen Skandal – ist aber bei genauerem Hinsehen eher ein Fall für Kommunikationspsychologen.
Was will der Absender wirklich sagen?
Analyse nach dem Vier-Seiten-Modell von Schulz von Thun:
Jede Nachricht enthält nach Schulz von Thun vier Ebenen:
1️⃣ Sachinhalt
Was wird objektiv gesagt?
„Ich habe für vier Kugeln Eis 20 Euro gezahlt.“
Faktisch korrekt? Nicht ganz. Der Kassenbeleg zeigt: Der tatsächliche Preis lag bei 12,98 €. Der Rest war freiwilliges Trinkgeld. Die Aussage ist also überspitzt oder irreführend.
2️⃣ Selbstoffenbarung
Was gebe ich über mich preis?
„Ich finde die Preise übertrieben“
„Ich fühle mich übervorteilt“
„Ich bin jemand, der solche Dinge nicht einfach hinnimmt“
Hier schwingt Frust oder Empörung mit – vielleicht auch der Wunsch, als jemand wahrgenommen zu werden, der sich für Alltagsgerechtigkeit stark macht. Aber: Die Selbstoffenbarung ist nicht reflektiert, sondern impulsiv und emotional eingefärbt.
3️⃣ Beziehungsseite
Was halte ich von euch? Wie spreche ich euch an?
„Ich erzähle euch das, weil ihr das auch empörend finden werdet“
„Ich rechne mit eurer Zustimmung“
„Ich rechne mit eurer Empörung“
Der Absender stellt sich auf eine Stufe mit den Leser:innen: „Wir gegen die Abzocke“. Er sucht Verbündete – auf Basis einer verzerrten Darstellung.
4️⃣ Appell
Wozu will ich dich bewegen?
„Empört euch mit mir!“
„Boykottiert überteuerte Eisdielen!“
„Teilt diesen Wahnsinn!“
Der Appell zielt auf emotionale Mobilisierung, nicht auf sachliche Aufklärung.
Konfliktpotenzial: Wahrheit vs. Wahrnehmung
Die Diskrepanz zwischen gefühlter Abzocke und tatsächlichem Preis offenbart ein typisches Kommunikationsproblem: Der Absender vermischt Fakten mit Emotionen, ohne das klar zu kennzeichnen. Die Empörung ist menschlich – aber die Darstellung verzerrt das Geschehen und stellt den Anbieter potenziell unberechtigt bloß.
Dieser Facebook-Post ist ein Paradebeispiel dafür, wie leicht sich Unmut in Misskommunikation verwandelt – und wie wichtig es ist, sich der vier Seiten einer Nachricht bewusst zu sein.
Kommunikationsbaustellen-Tipp für alle, die posten:
Will ich gerade informieren, Dampf ablassen, jemanden anklagen – oder ganz was anderes? Wer sich das klarmacht, kann Konflikte vermeiden, bevor sie eskalieren.
Wir gemeinsam im Kampf gegen das Missverständnis.
Euer Team von der Konfliktbaustelle