Schau nicht zurück – oder doch? Warum die Vergangenheit mehr kann als nerven

„Schau nicht zurück, denn da warst du schon.“ Klingt cool, ist ein knackiger Kalenderweisheitssatz – irgendwo zwischen Fitnessstudio-Spruch und Instagram-Mantra. Aber stimmt er? Heißt das, wir sollen der Vergangenheit winken wie einem Zug, den wir eh verpasst haben? Oder wie einem Ex, den wir in der Fußgängerzone treffen – freundlich nicken, aber zügig weitergehen? Vorsicht, Vergangenheit – Stolperstein oder Schatztruhe? Klar: Wer sich permanent in der Vergangenheit einrichtet wie in einem alten Plüschsofa mit Flecken, kommt im Hier und Jetzt schlecht voran. Da helfen keine neuen Vorsätze, solange man innerlich noch in 2012 festhängt – inklusive Frisur und Groll. Aber: Ganz ohne Rückschau geht’s auch nicht. Denn dort, in der Vergangenheit, wohnen nun mal: unsere Erfolge („Weißt du noch, wie du das damals geschafft hast?“), unsere Niederlagen („Und daraus hast du gelernt... hoffentlich!“), und unsere Lieblingsfehler („Drei Mal denselben gemacht – das zählt schon als Handschrift.“). Vergangenheit als Trampolin, nicht als Bett: Die Vergangenheit soll nicht zur Dauerausrede oder Lebensentschuldigung werden. Aber sie darf – ja, soll – der Ort sein, wo du verstehst, warum du heute so tickst wie du tickst. Warum du dich in Konflikten zurückziehst. Warum du beim Thema „Vertrauen“ schluckst. Erkenntnis ist retroaktiv. Entwicklung ist proaktiv. Konfliktbaustelle-Tipps für den Umgang mit deiner Vergangenheit: 1. Nicht abreißen – aber umbauen Betrachte deine Vergangenheit wie ein altes Haus. Du musst nicht drin wohnen bleiben – aber du darfst dir anschauen, wie’s gebaut wurde. 2. Nicht alles war schlecht – und nicht alles war Glanz „Früher war alles besser“ ist genauso schief wie „Ich will mit nichts mehr zu tun haben.“ Beides blendet. Schau genau hin: Was war hilfreich, was hinderlich? 3. Sprich drüber – aber bitte nicht in Dauerschleife Kommunikation hilft, Vergangenheit einzuordnen. Aber kein Mensch will jeden Samstag beim Bier hören, wie’s 1999 schiefging. Teile deine Geschichte – aber gib ihr auch ein Ende. 4. Rückspiegel sind kleiner als die Frontscheibe – aus gutem Grund Der Rückblick ist wichtig – aber du fährst nicht rückwärts durchs Leben. Es reicht, hin und wieder zu prüfen: „Was kommt mit, was bleibt stehen?“ Vergangenheit ist kein Ort zum Wohnen – aber ein großartiger Ort zum Lernen Wer nie zurückschaut, verpasst die Chance, sich selbst zu verstehen. Wer nur zurückschaut, steht sich selbst im Weg. Und wer klug zurückblickt, geht mutiger nach vorn. Also: Schau ruhig zurück. Aber mach dabei nicht kehrt. Auch in Konflikten lohnt der Blick zurück – aber nicht, um Schuld zu verteilen. Sondern um zu verstehen, was du nächstes Mal besser machen kannst. Und das ist die beste Zukunftsinvestition, die du tätigen kannst – ohne Risikoaufschlag.

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