Kommunikation geht manchmal auch unter die Haut – Tattoos als sprechende Zeichen

Es ist noch gar nicht so lange her, da war tätowierte Haut ein Signal: „Ich bin anders. Ich war auf See, im Knast oder in einem Club, den du besser nicht hinterfragst.“ Tätowierungen waren eine stille Sprache der Zugehörigkeit – und manchmal der Abschreckung. Heute hingegen: SpongeBob auf dem Unterarm. "Breathe" über dem Schlüsselbein. „Carpe Diem“ in geschwungener Kursivschrift an der Fußknöchelinnenseite. Die Reinhäuter – also jene ohne jegliche Tätowierung – sind fast schon die Exoten auf der Körpertext-Bühne. Was früher codierte Rebellion war, ist heute Ausdruck von Individualität, Erinnerungskultur oder schlicht: Lifestyle. Tattoos reden – aber was sagen sie? Tattoos sind Kommunikation. Sichtbar. Dauerhaft. Öffentlich. Sie sagen etwas über den Menschen, der sie trägt – egal, ob das beabsichtigt ist oder nicht. Und genau das ist der Punkt: Viele Tattoos sind kommunikative Kurzschlussreaktionen. Sie entstehen im Rausch (emotional oder alkoholisch), in Phasen tiefen Liebeskummers oder beim Gruppenzwang in Mallorca-Nächten. Lasst uns mit Friedemann Schulz von Thun näher hinschauen: Ein Tattoo ist wie jede Botschaft mehrdimensional. Sachinhalt: Da steht: "No Regrets". Selbstoffenbarung: Ich bin jemand, der loslässt. Oder jemand, der Fehler macht und sie sich schönredet. Beziehungsebene: Ich will, dass du mich so siehst: mutig, tiefgründig, ein bisschen wild. Appell: Sprich mich drauf an. Oder lass es. Aber schau hin. Kommunikative Stolperfallen entstehen dann, wenn Tattoos mehr sagen, als der Träger möchte: Sprachliche Missverständnisse: Ein Tattoo auf Arabisch? Chinesisch? Runen? Schön, aber sicher, dass es nicht „Frittierte Ente“ bedeutet? Romantische Verzweiflung: Namen von Ex-Partnern sind wie Kommunikationsruinen: nicht mehr gepflegt, aber öffentlich sichtbar. Ironie oder Ernst, ein schmaler Grad: Ein „I love Prison“-Tattoo kann ironisch gemeint sein – aber kommt beim Bewerbungsgespräch im Finanzamt nicht immer so an. Tattoo-Kommunikation mit Bedacht – Tipps der Konfliktbaustelle: Frage dich: Welche Geschichte will ich erzählen – in 30 Jahren noch? Tattoos sind Biografie, keine Twitter-Posts. Der Jugendsünde-Schriftzug ACAB auf der Hand ist schwierig, bei aktiver Rocker-Karriere gehört er eher dazu. Der Lebensbaum auf dem Arm ist unbedenklich, wenn man ihn erklären kann und er schön gestochen ist. Lass es jemanden gegenlesen – auch visuell. Ein fehlendes Komma oder ein schlecht gestochenes Porträt kann zur Dauerschleife im Missverständnis-Kino werden. Bedenke den Kontext: Im Freundeskreis cool – im Gerichtssaal vielleicht irritierend. Vereinbar mit Deinem Leben? Kommuniziere aktiv, was du sagen willst: Ein gutes Tattoo braucht manchmal eine kurze, echte Geschichte dazu. Kein Erklärungsnotstand, aber ein kommunikatives Angebot. Also: Hau(p)tsache ehrlich, das Tattoo muss zu Dir passen, es muss authentisch sein. Tätowierungen sind mehr als Tinte – sie sind gelebte Kommunikation. Und Kommunikation, die unter die Haut geht, sollte nicht leichtfertig entstehen. Wenn wir schon den Körper als Medium nutzen – dann lasst uns zumindest vorher das Drehbuch überdenken. Denn: „Forever“ ist kein besonders flexibler Kommunikationsstil. In diesem Sinne: Lasst Euch stechen! Oder eben nicht!

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