"Du musst da unbedingt hin!" – Was Empfehlungen wirklich sagen
Gestern an der Supermarktkasse. Vor mir zwei Damen, etwa Mitte 50, voller Vorfreude auf das anstehende Wochenende.
Sagt die eine zur anderen: „Du musst UNBEDINGT mal ins ‚La Taverna‘ gehen. Die haben da die beste Lasagne der Welt!“
Die andere nickt zögerlich: „Ich bin ja eigentlich eher so Team Sushi ...“
Kurze Pause. Dann:
„Ach, das liegt bestimmt daran, dass du noch nie eine echte und gute Lasagne gegessen hast.“
Zack. Gut gemeinte Empfehlung? Oder versteckter Angriff auf den Geschmack der Freundin?
Was steckt in einer Empfehlung?
Empfehlungen sind auf den ersten Blick freundliche Hinweise:
„Ich will dir was Gutes tun.“ So scheint die Botschaft.
Aber unterschwellig mitschwingen kann auch:
„Ich weiß, was gut ist.“
„Wenn du das nicht magst, bist du nicht ganz auf der Höhe.“
„Ich habe einen guten Geschmack, vielleicht einen besseren als du?“
Unsere Tipps sagen also viel über uns selbst, und gar nicht unbedingt über das, was dem anderen gut tun würde. Woher sollen wir das auch so genau wissen?
Ob wir ein Restaurant empfehlen, ein Modelabel, eine Ferienwohnung oder einen Dieätplan, in unseren Empfehlungen steckt meist eine Mischung aus Selbstdarstellung und der Wunsch nach Zustimmung und Anerkennung:
Wer BMW oder Mercedes fährt und das weiterempfiehlt, will unbewusst oft auch Bestätigung für seine eigene Wahl.
Wer Urlaub auf dem Bauernhof liebt, empfiehlt ihn nicht unbedingt, weil alle Kühe mögen, sondern weil man selbst dort glücklich war.
Der Klassiker ist die Anlageberatung durch Freunde. „Also ich sag dir, alles in Tech-Aktien, das ist die Zukunft!“
Was ist das? Ein finanziell motivierter Rat?
Oder eher ein Versuch, eigene, vielleicht riskante Entscheidungen durch Nachahmer abzusichern?
Kommunikationspsychologisch ist das spannend: Empfehlungen sind Projektionsflächen.
Wir empfehlen, was uns wichtig ist, und setzen oft stillschweigend voraus, dass das auch für andere gilt.
Und genau da liegt das Konfliktpotenzial: Was für dich ein kulinarischer Höhenflug ist, kann für mich fettig, überteuert oder einfach unpassend sein.
Unsere Tipps als Kommunikationsprofis der „Konfliktbaustelle“:
Frage dich vor einer Empfehlung:
Möchte ich wirklich dem anderen etwas Gutes tun, oder mir selbst Bestätigung holen?
Formuliere Tipps offen, nicht druckvoll:
Statt „Da musst du hin!“ lieber:
„Ich war da, fand es super, vielleicht wäre das auch was für dich?“
Sei offen für Ablehnung:
Wenn der andere lieber Thai statt Toskana will, kein Problem.
Kommunikation bedeutet auch, Vielfalt auszuhalten.
Sprich über Bedürfnisse statt über Produkte:
Frag lieber: „Was tut dir im Urlaub gut?“ statt: „Du musst nach Island!“
Empfehlungen können Brücken bauen, aber auch Gräben aufreißen.
Wenn wir unsere eigenen Maßstäbe nicht blind auf andere übertragen, sondern achtsam und respektvoll teilen, was uns gefallen hat, wird daraus echte Kommunikation.
Und wer weiß, vielleicht probiert dein Sushi-Fan ja doch mal Lasagne. Aber nur, wenn er das wirklich selbst will.