"Goldprägung oder Zettelwirtschaft – Was sagt deine Visitenkarte über dich aus?"

Neulich auf einem Netzwerktreffen. Ich, wie immer mit einer kleinen Schachtel frischer Visitenkarten in der Tasche, schlicht, klar, seriös. Kommt ein junger Mann auf mich zu, stellt sich vor und sagt: „Ich mach alles, was mit Medien zu tun hat.“ Ich: „Oh, interessant! Haben Sie eine Karte?“ Er zieht ein kleines Papierviereck aus dem Portemonnaie, handgeschnitten, mit Kugelschreiber beschriftet: "Tom. Insta: tommedialifestyle" Darunter ein kleiner Smiley. Und ein Fleck. Ich hoffe auf Kaffee. Später spricht mich ein Herr an, stylischer Anzug, Bluetooth-Anhänger an der Jacke. Er hält sein Smartphone in die Luft: „Einmal antippen, und du hast alle meine Daten. Inklusive Link zu meinem Podcast.“ Ich tippe. Mein Handy brummt. Instagram, LinkedIn, Spotify, WhatsApp und ein Kalenderlink springen mich an. Ich sage freundlich: „Das ist... viel.“ Er grinst: „So bin ich eben.“ Visitenkarten sind Kommunikationsmittel. Ob aus dickem Hammerschlag-Karton mit Goldschrift oder schnell auf der Rückseite eines Kassenzettels notiert, eine Visitenkarte (oder der Verzicht darauf) ist nie nur ein Kontaktmittel. Sie ist ein kommunikatives Statement. Was kommunizieren die Varianten also? Designerkarte mit Goldschrift "Ich lege Wert auf Eindruck, Qualität, vielleicht auch auf Status." Handgeschnitten, selbstgedruckt "Ich bin kreativ, spontan – oder geizig. Oder gerade im Aufbau." Stempel auf Notizzettel "Ich hab wenig Zeit oder wenig Lust, mich um sowas zu kümmern." Keine Karte („Man kennt mich doch“) – Stolz auf Verzicht "Ich bin wichtig. Wer mich sucht, findet mich. Wer mich nicht findet, den brauche ich nicht." Digital via NFC oder QR-Code "Ich bin modern, vernetzt, effizient – und eventuell ein bisschen aufdringlich." Und zwischen all dem stehen wir, mit der einen Karte, die wir noch von der Messe 2019 übrighaben und auf der noch die Faxnummer draufsteht. Peinlich? Vielleicht. Aber auch das sagt etwas über uns. Visitenkarten sind wie Schuhe: Man muss nicht übertreiben, aber gepflegt und zum Anlass passend dürfen sie sein. Unsere Tipps für eine gelungene Karten-Kommunikation: Form folgt Funktion. Eine Karte darf schön sein – aber lesbar, aktuell und informativ ist wichtiger als Goldfolie. Weniger ist mehr. Name, Firma, Telefonnummer, E-Mail, ggf. Webseite – das reicht. Man muss nicht gleich die ganze Biografie drucken. Sei ehrlich mit deinem Stil. Wenn du handgemacht magst, dann sauber und mit Liebe. Wenn du Hightech willst, dann verständlich und nicht zu aufdringlich. Vermeide Show-Offs oder Desinteresse. Beides wirkt unhöflich. Eine Karte, die schreit „Ich bin besser als du“ ist ebenso unpassend wie eine, die aussieht, als hättest du sie aus dem Mülleimer gezogen. Und der coolste Satz ist manchmal: „Ich hab keine Karte – aber darf ich dir meine Nummer einfach schicken oder aufschreiben?“ Ob du eine Karte überreichst, sie mit einem NFC-Chip an die Stirn beamst oder einfach nur deinen Namen nennst, du kommunizierst dabei immer mehr als nur Kontaktinformationen. Also überlege dir gut: Was willst du sagen, und wie willst du in Erinnerung bleiben? Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Und manchmal reicht ein schlichter, sauberer Karton, und ein echter Händedruck.

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