Ich sehe was, was du nicht siehst... Sind wir auf dem gleichen Weg?

Ein morgendlicher Spaziergang: Lisa und Marie sind Nachbarinnen. Nicht nur das: Sie sind auch Freundinnen. Reden gern, lachen viel, tauschen sich aus, mal am Gartenzaun, mal bei einem Gläschen Aperol, und gelegentlich bei einem ausgedehnten Spaziergang. Bewegung, Natur und ein Schwätzle – das tut gut. Eines Morgens sind sie wieder unterwegs, der Weg führt durch Felder, die Luft ist noch frisch, der Tag liegt jung und unverbraucht vor ihnen. Lisa bleibt plötzlich stehen, schaut, staunt, lächelt. „Marie, sieh nur! Dieses satte Rot vom Klatschmohn, dahinter das goldene Leuchten der fast reifen Ähren – eine Farbsymphonie!“ Marie hebt den Blick von ihren Schuhen, runzelt die Stirn. „Hm. Der Mohn hängt schon. Und der Weizen hat beim letzten Sturm ordentlich was abbekommen-“ Lisa atmet tief ein, genießt die Stimmung, nimmt den Nebel am Horizont wahr, wie er sich langsam hebt. Sonnenstrahlen durchbrechen die Schwaden, ein neuer Tag beginnt, für sie ein kleines Wunder. Marie hingegen mahnt: „Lisa, was ist los mit dir? Was stehst du da wie angewurzelt rum?“ Denn während Lisa genießt, kontrolliert Marie lieber den Weg: Stolpersteine, Unebenheiten, Pfützen, Sicherheit geht eben vor. Zwei Frauen, ein Weg, und doch zwei völlig verschiedene Reisen. Die Konfliktbaustelle sieht: Zwei Frauen mit zwei Perspektiven. Die eine himmelwärts gerichtet, offen für Schönheit, Emotion, Atmosphäre. Die andere bodenständig, wachsam, mit Blick für Details, Gefahren, Realität. Beide sind auf demselben Weg, aber sie sehen ihn ganz unterschiedlich. Und das ist weder schlimm noch falsch. Es ist menschlich. Was lernen wir daraus? Wahrnehmung ist subjektiv. Jeder Mensch bringt seinen Blickwinkel mit – geprägt von Stimmung, Erfahrung, Bedürfnissen, seiner Biographie. Kein Blick ist per se „richtig“ oder „falsch“. Es gibt den Mohn und den matschigen Weg. Schönheit und Stolpersteine sind oft zugleich da. Wo Schönheit ist, gibt es meist Gefahren, man denke an Bergwanderungen, Vulkanlandschaften, Tauchen mit Haien, Fallschirmspringen und und und. Unterschiedliche Typen ergänzen sich. Lisa zeigt Marie die Schönheit des Augenblicks. Marie sorgt dafür, dass beide nicht in ein Erdloch fallen. Beides ist wichtig. Manchmal hilft es, die Perspektive zu wechseln. Wer immer nur auf den Weg schaut, verpasst die Sonnenstrahlen im Nebel. Und wer nur nach oben schaut, merkt vielleicht nicht, wenn der Weg eine Kurve macht. Unsere Tipps von der Konfliktbaustelle: Höre zu – nicht nur mit den Ohren, sondern auch mit dem Herzen. Was sieht dein Gegenüber, was du (noch) nicht siehst? Frage dich im Gespräch: Geht es hier um Sicherheit? Oder um Schönheit? Um Kontrolle? Oder um Genuss? Erkenne den Wert der Unterschiedlichkeit. Wer immer alles gleich sieht, bringt keine neue Perspektive mit. Ermutigt einander, ohne zu werten. Die, die schaut, dass keiner stolpert, darf auch mal staunen. Und die, die staunt, darf auch mal nach unten schauen, bevor was schiefgeht. Nimm dir bewusst Momente zum Innehalten. Nur so kannst du auch wahrnehmen, was jenseits deiner Gedanken passiert. Macht Euch klar, dass so eine Freundschaft von der gegenseitigen Ergänzung lebt. Lisa und Marie gehen weiter. Vielleicht im gleichen Tempo. Vielleicht nicht immer mit demselben Fokus. Aber sie gehen zusammen. Und genau darum geht es – auch in der Kommunikation: Gemeinsam unterwegs sein. Auch wenn man manchmal dasselbe anders sieht. Kommt gut heim. Und herzlichen Dank an die Kommunikationsheldin, die uns an diesen besonderen morgendlichen Spaziergang hat teilhaben lassen. Euer Team von der Konfliktbaustelle.

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