Motoren, Mythen, Missverständnisse – Kommunikation auf vier Rädern

Einmal im Jahr wird es laut auf dem Autohof in Kirchberg an der Jagst, nicht, weil jemand streitet, sondern weil V8-Motoren röhren, Blinker im Takt von Elvis tanzen und Lackierungen glänzen wie die Erinnerungen an bessere Zeiten. Heute ist es wieder soweit: Das US-Car-Treffen der US-Car-Freunde Schwäbisch Hall ist ein Spektakel für die Sinne, und ein faszinierender Schauplatz gelebter Kommunikation. Denn ja, auch Autos sprechen. Nicht mit Hupen (obwohl, manchmal auch…), sondern mit Haltung, Stil, Sound und Farbe. Der, der mit seinem chromblitzenden Cadillac langsam über den Platz rollt, kommuniziert etwas ganz anderes als die Fahrerin des giftgrünen Dodge Charger, die ihre Burnouts mit einem Grinsen unter der Sonnenbrille quittiert, nach dem Motto, man muss auch mal etwas Verbotenes tun. Und wir? Wir interpretieren. Wir bewerten. Wir projizieren. Wir sehen keine Fahrzeuge – wir sehen Aussagen: – „Der will auffallen.“ – „Die hängt an alten Zeiten.“ – „Warum braucht man so ein Auto?“ – „Wow. Mutig. Schön.“ Was wir dabei leicht vergessen: Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Nicht jeder, der ein auffälliges Auto fährt, will bewundert werden. Nicht jeder, der schweigend danebensteht, lehnt uns ab. Vielleicht ist er nur schüchtern. Oder fremd. Vielleicht ist das auch nur sein Kommunikationsstil. Vielleicht sagt sein Mustang schon genug. Vielleicht hat er morgens auch nur ein schlechtes Erlebnis gehabt, weil die neue Batterie für den Oldie nicht den gewünschten Erfolg hatte. Und nun überlegt er, alle Autos zu verkaufen und Kois zu züchten, ja, die bunten, teuren japanischen Glückssymbole. Lassen wir ihn einfach, wird schon wieder. Was lernen wir daraus? Auch und gerade auf einem Autotreffen geht es um mehr als Pferdestärken und Benzingespräche. Es geht um Zugehörigkeit, Abgrenzung, Selbstausdruck, : Um menschliche Bedürfnisse. Und das unterscheidet das Treffen der US-Car-Freunde nicht im Geringsten von einer Mediation. Nur dass dort weniger Gummi verbrannt wird. Unser Rat von der Konfliktbaustelle: Beim nächsten Oldtimer-Event, Motorradgipfel oder Tuningtreffen: Lass das (Vor-) Urteil mal zu Hause. Stell dich dazu, hör zu, frag nach. Die spannendsten Geschichten verstecken sich oft unter der Haube oder hinter der coolen Fassade. Und wer weiß – vielleicht funkt es. Zwischen Menschen. Nicht nur auf den Zündkerzen.

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