Urlaub – die schönste Zeit des Jahres? Wenn Nähe plötzlich Programm ist.
Der Urlaub steht an, wie sagt man so schön:
„Die Frau sagt, wohin es geht. Der Chef sagt, wann. Die Bank sagt, wie lange.“
Willkommen in der Urlaubsrealität.
Neulich in Italien, irgendwo zwischen Florenz und dem dritten Espresso. Ich sitze auf dem Balkon unseres Ferienapartments und beobachte ein Paar beim klassischen Urlaubsdisput. Sie: „Ich habe dir doch gestern schon gesagt, dass wir um spätestens 10 Uhr vor dem Museum sein müssen!“ – Er: „Ich dachte, wir machen heute einfach mal gar nichts…“ – Beide: Sonnenbrand, Grundspannung, unausgesprochene Erwartungen. Ein klassischer Fall von Kommunikation auf Reisen.
Urlaub – ein Stresstest für Paare?
Zu Hause sehen sich viele Paare werktags nur abends kurz. Jeder hat seinen Rhythmus, Rückzugsorte, Alltagsroutinen. Und dann: Urlaub. Plötzlich 24/7 gemeinsam – auf engem Raum, mit fremder Sprache und fremder Umgebung, anderer Zeitzone und ohne W-LAN. Wer jetzt nicht kommunikativ gut aufgestellt ist, riskiert ein All-Inclusive-Chaos.
Die große Nähe ist tatsächlich Herausforderung und Chance.
Gerade weil man sich im Alltag oft verpasst, ist der Urlaub so wichtig, aber eben auch herausfordernd:
Man ist nah, aber nicht automatisch verbunden.
Man hat Zeit, aber nicht immer die gleichen Vorstellungen, wie man sie nutzt.
Man ist raus aus dem Alltag, aber nimmt seine inneren Muster mit.
Schon Kleinigkeiten können das Fass zum Überlaufen bringen:
Ein Klassiker: Die Fahrt mit dem Mietwagen ins schöne Hinterland.
Er fährt. Sie liest Google Maps. Irgendwann sagt sie: „Du bist falsch gefahren.“
Er (genervt): „Warum hast du nicht früher was gesagt?“
Sie (sauer): „Ich hab’s gesagt, aber du hörst ja nicht zu!“
Und plötzlich wird die Schönheit der Toskana zur Kulisse einer ausgewachsenen Beziehungskatastrophe.
Was ist passiert? Die Kommunikation ist in den Kofferraum gerutscht – direkt neben den falschen Reiseführer.
Und wenn sie dann einen Tag schmollt und nicht spricht, am nächsten Morgen aber versöhnlich fragt: "Was sagt Du dazu, dass ich jetzt einen Tag nicht mit Dir gesprochen habe?", dann ist es der falsche Impuls zu antworten: "Krieg ich noch einen Tag?"
Tipps für mentale Urlaubsvorbereitung und bessere Kommunikation:
1. Erwartungs-Check vor der Reise:
Einmal offen besprechen: Was stelle ich mir unter einem gelungenen Urlaub vor? Ruhe? Action? Kultur? Cocktails? Oft hilft schon dieses Gespräch, um spätere Konflikte zu vermeiden.
2. Zeit und Gelegenheit für Rückzugsmöglichkeiten einplanen:
Auch im Urlaub darf jeder mal alleine sein. Nur weil man zusammen wegfährt, muss man nicht alles gemeinsam tun.
3. Rollentausch zulassen:
Im Alltag ist sie vielleicht die Planerin, er der Improvisator. Warum nicht mal umgekehrt? Oder bewusst ein „Plan-freier-Tag“?
4. Humor als Reiseapotheke:
Wenn es mal kracht – eine Prise Selbstironie hilft oft mehr als zehn Ratgeber. Wer über sich lachen kann, bleibt leichter in Verbindung.
5. Nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen:
Gerade bei Hitze, Jetlag oder schlechter Pizza darf man auch mal großzügig über Empfindlichkeiten des Partners hinwegsehen.
Der Urlaub ist wie ein Kommunikationslabor unter erschwerten Bedingungen, aber auch eine riesige Chance, sich neu zu begegnen.
Nicht immer harmonisch. Aber ehrlich, menschlich und mit etwas Übung sogar wunderschön.
Bleibt Ihr selbst.
In diesem Sinne: Gute Reise – innerlich wie äußerlich.
Euer Team von der Konfliktbaustelle