„Was klebst du dir da eigentlich auf die Karre?“
Was wir wirklich sagen, wenn wir Aufkleber auf Auto, Helm oder Fahrrad anbringen
Vorhin an der Ampel:
Ein kleiner, zerkratzter Polo mit mattem Lack vor mir. Hinten drauf ein wilder Mix aus Weltanschauung und Freizeitverhalten:
„Atomkraft? Nein danke“ neben „Lieber nackt als Pelz“, darunter ein „Ein Herz für Kinder“, eingerahmt von „Waldorfschule“ und „Ich war auf dem Watzmann“.
Dazwischen schielt ein Aufkleber: „Ich bremse auch für Dich.“
Ich fahre rechts vorbei, neugierig geworden. Am Steuer sitzt ein älterer Herr mit Basecap, Nickelbrille, und einem Papagei auf dem Beifahrersitz. Kein Scherz.
Er sieht mich, nickt, grinst.
Ich nicke zurück.
Ich weiß nicht, wie er heißt, was er beruflich macht oder welche Musik er hört. Aber irgendwie… weiß ich doch eine ganze Menge.
Was kommunizieren wir mit Aufklebern?
Aufkleber sind Mini-Botschaften. Sie kleben an Dingen, aber sprechen für Menschen.
Ob Auto, Lastenrad, Helm oder Gitarrenkoffer:
Wer etwas sichtbar anklebt, der möchte gesehen, gehört und zugeordnet werden.
Aufkleber sagen:
„Dafür stehe ich.“
„Dort war ich.“
„Das bin ich (oder will ich sein).“
„So möchte ich, dass ihr mich wahrnehmt.“
Sie sind kleine Kommunikations-Attentate im Vorbeigehen, und manchmal auch ein stiller Schrei nach Gemeinschaft, Individualität oder Bestätigung.
Warum kleben wir überhaupt?
Identifikation: Mit einem Verein, einer Marke, einer Weltanschauung.
Zugehörigkeit: Ein „Harley-Davidson-Owners-Group“-Aufkleber ist wie ein digitaler Handdruck unter Bikern.
Selbstdarstellung: "Ich war auf dem Watzmann" sagt: Ich kann mehr als Couch.
Protest oder Haltung: „FCK NZS“ oder „No Planet B“ bedeuten Haltung in klarer Typografie.
Humor oder Ironie: „Ich bin gegen alles“ oder „Ich bremse nur für Katzen“ bauen womöglich Distanz als Schutz auf.
Und was kommt an?
Nicht immer das, was gemeint ist.
„Ich bin Golfer“ kann Bewunderung oder Augenrollen auslösen.
„Jesus lebt“ kann verbinden oder verstören.
„Ich liebe meinen Hund“ kann Sympathie erzeugen, bis man sieht, dass es ein Kampfhund mit Goldkette ist. Dann kommt die Sympathie wieder von einer ganz anderen Zielgruppe.
Kommunikation via Aufkleber ist immer Projektionsfläche.
Tipps von der Konfliktbaustelle:
1. Überleg dir, was du da eigentlich sagst.
Nicht jeder versteht deinen Humor. Und manche politischen Aussagen können schneller spalten, als dir lieb ist.
2. Wen willst du erreichen – und mit welchem Ziel?
Möchtest du dazugehören? Politisieren? Polarisieren? Oder einfach nur deinen Verein unterstützen?
3. Weniger ist mehr.
Zehn Aufkleber auf der Heckklappe wirken nicht wie Meinung, sondern wie ein Sammelalbum in der Pubertät.
4. Achte auf die Kombination.
Ein „Weltfrieden“-Sticker direkt neben einem Totenkopf mit Flammenhelm? Schwierig.
5. Und vor allem: Steh dazu.Sie du selbt.
Wenn du etwas öffentlich zeigst, dann sei auch bereit, es im Gespräch zu vertreten. Oder eben auch mal freundlich zu sagen:
„Ja, das ist von früher. Klebt aber irgendwie auch an mir.“
Aufkleber sind mehr als Deko. Sie sind kommunikative Fenster in unsere Überzeugungen, Hobbys und Zugehörigkeiten.
Wer klebt, spricht, ohne gefragt zu werden. Und wer liest, urteilt, ob er will oder nicht.
Also: Kleb mit Bedacht.