„Wie geht es dir?“ – Herzensfrage oder höfliche Floskel?
Eine Alltagsbegegnung mit Tiefe – oder auch nicht.
Gestern im Supermarkt.
Zwischen Biogurken und Sonderangeboten trifft Annabelle zufällig ihre frühere Kollegin Simone.
Beide greifen gleichzeitig nach dem letzten Glas griechische Oliven mit Knoblauch. Beide strahlen.
Annabelle: „Na Simone! Mensch – wie geht’s dir?“ Simone: „Gut, danke! Und dir?“ Annabelle: „Auch, danke!“ Pause. Beide lachen. Dann schauen sie sich kurz an. Simone: „Also eigentlich... ist gerade alles ein bisschen viel.“ Annabelle: „Oh? Willst du kurz erzählen? Ich habe noch zehn Minuten. Oder lieber ein andermal?“
Wow!
Was eben noch nach Einkaufsfloskel klang, wird plötzlich zum möglichen Türöffner für ein Gespräch mit echtem Inhalt und Tiefgang.
Aber was ist „Wie geht es dir?“ denn nun – eine echte Frage oder nur eine Höflichkeitsfloskel zwischen Tür und Kühlregal?
Für die Floskel-These spricht: Ein „Ja, wie geht es?“ ist oft nicht ernst gemeint.
Wir benutzen die Formulierung oft wie ein sprachliches „Hallo Plus“. Im Büro, auf der Straße, im Elternbeirat.
Erwartet wird meist ein „Gut, danke!“ – alles andere bringt den Gesprächsfluss ins Schlingern und erschreckt womöglich den Fragesteller.
Und ehrlich:
Manchmal haben wir weder Zeit noch die Nerven, die volle Lebensgeschichte zu hören, wenn wir gerade am Pfandautomaten stehen oder gedanklich schon im nächsten Termin sind.
Aber vielleicht ist die Frage doch mehr als das?
Denn manchmal – so wie bei Annabelle und Simone – steckt eine echte Sehnsucht in dieser Frage. Eine stille Hoffnung, gehört zu werden. Eine Einladung zum Innehalten. Eine Chance auf Nähe in einem durchgetakteten Alltag.
Die Frage „Wie geht es dir?“ kann – auf die richtige Art und Weise gestellt und gehört ein echter Kommunikationskompass sein. Eine Öffnung. Ein „Ich sehe dich.“
Das Team der Konfliktbaustelle empfiehlt:
Stelle die Frage nur, wenn du bereit bist, auch zuzuhören.
Sonst sag lieber: „Schön, dich zu sehen!“ – das ist ehrlicher und schafft keinen Erwartungsdruck.
Achte auf Körpersprache und Stimme. Ein „Ganz okay“ mit gesenktem Blick ist oft ein „Frag bitte nochmal nach“.
Mach Zeit sichtbar. Ein Satz wie: „Ich habe gerade noch fünf Minuten – magst du kurz erzählen?“ schafft einen geschützten Raum.
Biete Alternativen: „Wenn du magst, quatschen wir bei Gelegenheit ausführlicher – melde dich gern.“
Und wenn DU gefragt wirst, dann entscheide bewusst: Möchtest du wirklich erzählen, oder einfach höflich bleiben?
Es kommt also ganz auf die Situation an: „Wie geht es dir?“ ist das Chamäleon unter den Fragen.
Mal oberflächlich. Mal bedeutungsvoll. Mal beides gleichzeitig.
Wichtig ist, was du draus machst.
Denn zwischen „Danke, gut.“ und „Eigentlich ist gerade alles zu viel“ liegt manchmal nur ein kleiner Blick – und ein bisschen Mut.
Eure Konfliktbaustelle
mit Herz, Ohr und Feingefühl.