Drohne oder Wanderschuh? – Der höchste Mammutbaum und die Frage nach dem Erleben in modernen Zeiten
Heute Morgen in der Facebook-Gruppe „Naturfreunde“:
Jemand postet, wo in Deutschland der höchste Mammutbaum steht. Sekunden später trudeln die Kommentare ein – die hilfreichen und die herrlich sinnfreien:
„Wie finde ich den Baum genau?“
„Woran sehe ich, dass das der Baum ist?“
„Geh doch gar nicht selbst hin, nimm Dir lieber ne Drohne! Dann siehst du wenigstens den ganzen Baum und nicht nur unten ein Stück Stamm.“
Der letzte Ratschlag macht nachdenklich: Ist das ein guter Rat eines technikverliebten Menschen? Oder eine freundliche Einladung, das Gesamterlebnis wegzuoptimieren, den Wald nicht zu riechen, die Stille nicht zu hören, den Weg nicht zu gehen?
Was ist die Psychologie dahinter?
1) Technik gibt Kontrolle – und klaut sie manchmal auch.
Eine Drohne liefert Übersicht, Winkel, Maßstab. Das befriedigt unser Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle. Gleichzeitig nimmt sie uns das Gefühl der Entdeckung: Wer alles vorab aus der Luft sieht, erlebt vor Ort weniger Staunen.
2) Effizienz ist verführerisch.
„Zeit sparen, mehr sehen“ – unser innerer Projektmanager liebt das. Doch Naturerleben funktioniert oft umgekehrt: Langsamkeit verstärkt Sinneseindrücke, macht uns empfänglicher für Momente des Staunens.
3) Soziale Signale.
Der Drohnen-Kommentar kommuniziert auch: „Ich kann Technik. Ich optimiere Erlebnisse.“ Das kann beeindrucken, oder wie Abkürzung wirken. Umgekehrt sendet der Fußweg Botschaften von Geduld, Präsenz, Erdung.
4) Erkenntnis betrifft unseren ganzen Körper.
Wir denken nicht nur im Kopf, sondern mit dem ganzen Körper. Gehen, riechen, fühlen, das prägt unsere Erinnerung tiefer als ein perfektes Luftbild.
5) Inklusion zählt.
Für Menschen mit eingeschränkter Mobilität sind Drohnen, Satellitenbilder oder Streams echte Teilhabe-Werkzeuge. Technik kann barrierenarm machen, wichtig, das mitzudenken.
6. Grenzen, Recht und Rücksicht.
Störung von Wildtieren/anderen Besuchern; rechtliche Limits (Naturschutz, Datenschutz, Flugverbotszonen).
Tipps der Konfliktbaustelle: Wie du beides klug verbindest:
Klär deine Intention: Willst du wissen (Daten) oder erleben (Sinneseindruck)? Danach wähle Tool oder Wanderschuh.
Vor Drohnenflügen: Schutzgebiete, No-Fly-Zonen, Jahreszeiten (Brut), Abstand zu Menschen beachten. Respekt ist wichtiger als das perfekte Bild.
Erlebnislogbuch statt Like-Jagd: Notier Gefühl, Geräusch, Geruch – nicht nur GPS-Punkt. Das ist die Erinnerung, die bleibt.
Teilen ohne zu belehren: In Online-Threads lieber fragen („Was hat Dich am meisten beeindruckt?“) statt belehren („Nimm doch eine Drohne“). Das öffnet Dialog statt Abwehr.
Mount-Everest-Test: Würdest du den Gipfel nur per Video „abhaken“? Wenn nein, gönn dir auch beim Mammutbaum den Weg, denn der Weg ist ein Teil des Ziels.Natur ist ein Gesamterlebnis.
Ihr seht: Der höchste Mammutbaum ist nicht nur hoch, er ist auch ein Anlass, zu entscheiden, wie wir erleben wollen. Technik kann erweitern, aber nicht ersetzen, was Wald, Weg und Wind mit uns machen. Unser Vorschlag: Erst die Sinne, dann die Sensoren. So bleibt der Baum nicht nur ein Bild, sondern eine Begegnung.
Wie hoch ist er denn nun, der höchste Mammutbaum Deutschlands, und wo steht er?
DAS findet Ihr selbst raus, mit Hilfe der Technik. Wenn Ihr das wollt.