Heute ist ein guter Tag, weil ich es so möchte!“ – Klingt einfach, oder? Aber kann man Glück wirklich beschließen?

„Heute ist ein guter Tag, weil ich es so möchte. Ich habe beschlossen, heute glücklich zu sein!“ Das war heute das erste, was mich angesprungen hat, als ich beim Frühstück so nebenbei gecheckt habe, was in facebook so geht. Solche Posts tauchen immer wieder in den sozialen Medien auf, oft unterlegt mit Sonnenaufgängen, Kaffeetassen oder Katzenbabys. Sie klingen nach Leichtigkeit, Selbstbestimmung und einer geradezu magischen Macht des Willens. Einfach beschließen, glücklich zu sein, fertig. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ja, es gibt tatsächlich Forschung, die zeigt: Unsere Einstellung beeinflusst unsere Wahrnehmung. Wer sich morgens bewusst vornimmt, auf Positives zu achten, wird es eher bemerken. Psychologen sprechen von selektiver Aufmerksamkeit. Das heißt: Wenn wir das Glück suchen, erkennen wir es häufiger, selbst in kleinen Momenten. Unser Gehirn hat einen angeborenen "Negativity Bias", das bedeutet, wir reagieren stärker auf Probleme und Gefahren als auf positive Ereignisse. Evolutionär war das überlebenswichtig: Wer bei einem Rascheln im Gebüsch sofort an einen Säbelzahntiger dachte, hatte bessere Chancen, als jemand, der erst an eine sanfte Brise glaubte. Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass die Amygdala, das „Alarmzentrum“ im Gehirn, auf negative Reize intensiver anspringt und diese auch länger im Gedächtnis verankert werden. Darum bleibt uns eine Kritik oft länger im Kopf als zehn Komplimente. Das ist normal, aber es macht deutlich, warum ein einfacher Glücksbeschluss allein selten reicht. Die Formel „Ich bin glücklich, weil ich es will“ funktioniert also nicht wie ein Lichtschalter. Sie ist eher wie ein Trainingsplan. Wer regelmäßig übt, die Perspektive zu wechseln, baut psychologische Muskeln auf. Dann fällt es leichter, auch bei Gegenwind stabil zu bleiben. Praktische Tipps der Konfliktbaustelle: Versuchen Sie nicht, den ganzen Tag glücklich zu sein. Suchen Sie kleine Glücksmomente, ein nettes Gespräch, gutes Essen, einen Spaziergang. Akzeptieren Sie die Schönheitsfehler des Tages: Schlechte Laune ist kein persönliches Scheitern, sondern Teil des Lebens. Lenken Sie den Fokus des Tages bewusst. Statt „Ich darf nicht schlecht gelaunt sein“ lieber fragen: „Was könnte mir jetzt gut tun?“ Gestalten Sie Ihr Umfeld positiv. Kontakte, Orte und Routinen, die guttun, verstärken die Wirkung der eigenen Entscheidung. Selbstkonditionierung ist also ein starkes Werkzeug, aber kein Zauberstab. Wer beschließt, heute glücklich zu sein, übernimmt immerhin Verantwortung für die eigene Haltung. Wer gleichzeitig anerkennt, dass nicht alles kontrollierbar ist, baut eine stabile Brücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Am Ende ist es wie mit dem Wetter: Wir können die Sonne nicht herbeizaubern, aber wir können entscheiden, ob wir im Regen tanzen oder unter dem Schirm schmollen.

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