Wunschpunsch - Wie sehe ich mich? Und wie seht Ihr mich? Und was will ich, wie Ihr mich seht?
Da scrollt man so durch Facebook, und plötzlich taucht er auf:
Unser Nachbar, nur diesmal nicht beim Grillen, nicht im Urlaub, nicht im Anzug auf einer Hochzeit, sondern als Bruce-Willis-Verschnitt in einer dramatischen Action-Szene. KI sei Dank.
Den "Prompt" hat er gleich mit gepostet: Fotorealistische Darstellung des exakt gleichen Mannes wie auf dem Referenzfoto, mit identischer Gesichtsform, Augen, Bart, Haaren und Gesichtsausdruck. Er befindet sich in einer dramatischen Action-Szene im Stil von „Stirb langsam“ (Die Hard). Umgebung: zerstörtes Hochhaus-Innenleben bei Nacht, Rauch, Funkenflug, zerbrochene Glasscheiben, Kabel hängen von der Decke. Der Mann trägt ein leicht zerrissenes, schweißdurchtränktes weißes Unterhemd, an der Schulter eine kleine Schürfwunde, in der Hand eine Pistole, im Hintergrund Polizeiautos mit blinkenden Lichtern und Explosionen in der Ferne. Beleuchtung: filmisch, kontrastreich, warme Lichtstrahlen mischen sich mit bläulichem Notlicht. Ultra-realistisch, 8K, gestochen scharfes Gesicht, Film-Standbild-Ästhetik.
Was bewegt jemanden, sich so darstellen zu lassen, und das Bild womöglich nicht nur als Profilfoto zu posten, sondern vielleicht sogar als Poster ins Wohnzimmer oder ins Büro zu hängen?
Natürlich könnte man sagen: „Ach, das ist doch nur Spaß!“ Und sicher, es ist auch Spaß. Ein Experiment, eine technische Spielerei. So wie man früher in der Jahrmarktfotokabine ein Cowboy- oder Piratenkostüm anzog, um zu sehen, wie man darin wirkt.
Aber vielleicht steckt auch ein bisschen mehr dahinter. Solche KI-Inszenierungen können heimliche Sehnsüchte sichtbar machen, nicht unbedingt nach einer Pistole oder Explosionen, sondern nach einem anderen Selbstbild: stärker, mutiger, heroischer als im Alltag. Die Psyche liebt es, mal in eine andere Rolle zu schlüpfen, vor allem, wenn der Alltag wenig Raum für Heldentaten lässt.
Wenn das Bild dann in Postergröße an der Wand hängt, kommuniziert es unterschwellig etwas:
„So sehe ich mich, oder so möchte ich gesehen werden.“
„In mir steckt mehr, als man denkt.“
„Das ist mein innerer Film, und in dem spiele ich die Hauptrolle.“
Psychologisch ist das nichts Neues, nur die Werkzeuge sind moderner geworden. Früher waren es Ölgemälde, in denen sich Kaufleute als edle Ritter darstellen ließen. Heute ist es eben Midjourney oder DALL·E.
Unser Rat von der Konfliktbaustelle:
Wenn Sie so ein KI-Kunstwerk von sich erstellen lassen, genießen Sie den Spaß. Aber stellen Sie sich auch die Frage: Welche Botschaft will ich damit senden? Manchmal reicht die ehrliche Antwort „Weil ich es kann“. Und manchmal steckt darin ein kleiner Hinweis darauf, dass im eigenen Leben noch ein bisschen mehr Action Platz hätte, ganz ohne Explosionen. Gut, wenn man das erkennt. Denn nur dann kann man auch etwas ändern.