Humor - ein ernstes Thema!

Mein steinaltes Telefon ohne Nummernanzeige klingelt. Noch nicht ganz wach am frühen Morgen, nehme ich ab und will gerade ein müdes „Hallo“ in den Hörer nuscheln, als mich eine Stimme unvermittelt begrüßt: „Guten Tag, hier spricht der örtliche Entenbadeverein. Sie haben Ihre Enten zum Baden angemeldet – wo bleiben Sie denn?“ Meine Synapsen überschlagen sich, veranstalten ein Händeschütteln, als wollten sie sich gegenseitig vorstellen. Ich setze zu einer Antwort an, aber ich komme nicht zu Wort. Am anderen Ende höre ich nur prustendes Lachen: „Na, du warst auch schon mal schlagfertiger.“ Und schon plappert mein Gegenüber munter drauflos. Worum es ging, nehme ich gar nicht mehr richtig wahr. Mein Kopfkino zeigt mir gerade einen Teich voller Enten mit Schwimmreifen und Badehäubchen, die fröhlich ihre Runden drehen … Kurz überlege ich, ob ich diese „Meldung“ am Telefon jetzt lustig finden soll, oder einfach nur dämlich. Ähnliche Beispiele kommen mir in den Sinn: etwa die Ansage „Hier ist die Firma Rast & Ruh, morgens geschlossen, mittags zu.“ Wer mutet seinem Gegenüber so etwas zu? Soll ich als Kunde mein Anliegen trotzdem vorbringen, wenn schon jemand abnimmt? Oder gleich wieder auflegen, weil auf so eine „Firma“ kein Verlass ist? Humor ist individuell. Nicht jeder kann mit solchen Sprüchen umgehen. Im privaten Bereich mag mancher darüber hinwegschmunzeln. Doch je nach Tagesform kann ein vermeintlich witziger Kommentar auch als respektlos, unpassend oder schlicht nervig empfunden werden. Für die einen ist es „Veräppeln auf höchstem Niveau“, für die anderen schlicht eine Grenzüberschreitung. Humor ist also zweischneidiges Schwert. Humor ist in der Kommunikation wertvoll, er kann Brücken bauen, Nähe schaffen und Spannungen lösen. Aber: Der Kontext entscheidet. Was im Freundeskreis für Heiterkeit sorgt, wirkt im geschäftlichen Gespräch schnell unprofessionell und deplatziert. Wichtig ist, die verschiedenen Perspektiven zu beachten: Humor funktioniert selten universell. Das eigene Schmunzeln garantiert nicht, dass auch der andere lacht. Und immer den gerade genutzten Kanl beachten: Am Telefon fehlen Mimik und Gestik. Ironie oder Sarkasmus werden leichter missverstanden. Nicht jeder kann mit seiner Stimmme virtuos zwischen den Zeilen sprechen. Stimmt das Timing? Früh am Morgen, in ernsten Gesprächen oder bei stressigen Situationen ist die Aufnahmefähigkeit für Witze meist gering. Tipps der Konfliktbaustelle: Bevor ihr den Clown aus dem Ärmel zieht: Überlegt kurz, wie euer Spruch beim Gegenüber wirken könnte. Fragt euch: Passt der Witz zu Situation, Beziehungsebene und Stimmung? Seid achtsam: Humor darf auflockern, soll aber nie verletzen oder abwerten. Lasst Raum: Wenn euer Gegenüber nicht lacht – respektiert das. Humor ist kein Zwang. Ergänzt mit Ernst: Ein witziger Einstieg ist okay, aber der Kern der Botschaft sollte klar, respektvoll und ernsthaft vermittelt werden. Mein Humor ist nicht automatisch dein Humor. Zwischen „lustig gemeint“ und „taktlos“ verläuft oft nur eine feine Linie. Dem englischen Schriftsteller Charles Reade (1814–1884) zugeschrieben wird der Satz: „Wähle deine Worte weise; denn deine Worte sind wie deine Gedanken: Sie werden dich entweder befreien oder fesseln.“ Ich finde, das trifft ins Schwarze. Die Botschaft ist zeitlos. MF

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