„Nebenan“ oder mittendrin? – Wie viel Plattform braucht Nachbarschaft?
Heute flatterte Werbung in mein E-Mail-Postfach: „nebenan.de ist 10!“.
Vier Millionen Menschen und über 100.000 Gewerbe sollen dort miteinander vernetzt sein. Ein Jubiläum, verbunden mit Rabattaktionen und bunten Jubelbotschaften. Und da stellt sich mir die Frage: Brauche ich wirklich ein digitales Portal, um mich meinem Nachbarn vorzustellen? Oder genügt es nicht, einfach mal an die Tür zu klopfen und „Hallo, ich bin der Neue von nebenan“ zu sagen? Offensichtlich ist der Bedarf aber da, wenn die Plattform schon 10 Jahre besteht.
Plattformen wie „Nebenan“ haben zweifellos Vorteile: Sie verbinden Menschen, die sich sonst vielleicht nie begegnen würden. Man erreicht unkompliziert viele Nachbarn gleichzeitig – für Kleinanzeigen, Werkzeugverleih, Babysittergesuche. Für Zugezogene oder Schüchterne kann es leichter sein, einen ersten Schritt online zu machen. Und mancher Konflikt (Stichwort: „Wer hat den Parkplatz blockiert?“) kann auf digitalem Weg nüchterner angesprochen werden.
Aber es gibt auch Schattenseiten: Nachbarschaft wird zur Dienstleistung, die Kommunikation verlagert sich von der Haustür ins Internet.
Spontane Begegnungen, das Gespräch über den Gartenzaun oder beim Schneeschippen, bleiben auf der Strecke.
Eine solche „sterile Plattform“ ist schlecht für eine lebendige Beziehung: Wir wissen mehr über die Katze des Nachbarn aus seinem Profil als über den Menschen selbst.
Bezahlt wird mit Geld und Daten, während das echte Gespräch kostenfrei und persönlicher ist.
Deshalb fragt die Kommunikationsbaustelle: Was zählt wirklich?
Nachbarschaft lebt von Niedrigschwelligkeit: ein Nicken im Treppenhaus, ein kurzes „Brauchen Sie noch Zucker?“, das ehrliche „Schönen Tag noch“. Das kostet nichts, außer vielleicht ein wenig Überwindung.
Natürlich kann eine Plattform wie „Nebenan“ ein Werkzeug sein. Aber Werkzeuge ersetzen nicht die Handarbeit des direkten Gesprächs. Wer nur digital in Kontakt tritt, ohne je persönlich vor der Tür zu stehen, baut Mauern statt Brücken.
Plattformen können durchaus hilfreich sein, besonders, wenn man neu ist oder nach praktischen Lösungen sucht. Doch echte Nachbarschaft beginnt da, wo Menschen sich direkt in die Augen sehen.
Deshalb lautet unser Tipp von der Konfliktbaustelle: Nutzt digitale Angebote als Ergänzung, nicht als Ersatz. Die beste Nachbarschaftsplattform ist immer noch die Türklingel und der persönliche Besuch. In diesem Sinne: Auf gute Nachbarschaft!
M.D.