Wen sehen wir wirklich? Selbstreflexion im Spiegel der Anderen

Heute Morgen, an meinem freien Tag, gibt es viel zu erledigen. Ich fahre los, um einzukaufen, denn aus dem Kühlschrank winkt mir nur noch Leere entgegen. Nach dem Gehetze durch den Supermarkt – ja, für mich ist das anstrengend – möchte ich mir beim Bäcker ein zweites Frühstück gönnen. Da stehe ich also in der Warteschlange, überlege, was meinen Geschmack heute befriedigen würde, als mir Gesprächsfetzen von zwei Frauen – beide unter 25, durchgestylt vom Scheitel bis zur Sohle – ins Ohr dringen: „Hast du die Oma da drüben gesehen? In dem Aufzug würd’ ich mich nicht auf die Straße trauen.“ Mein unauffälliger Raum-Scan-Blick wird sofort aktiviert: Besagte „Oma“ steht seitlich rechts: eine Frau um die 60, sportlich gekleidet. Nichts, was mir missfallen würde. Automatisch schaue ich an mir herunter, was ich heute für den Einkaufstrip übergeworfen habe. Nun, ich bin Anfang 50 (Alter ist nur eine Zahl), also auch nicht mehr ganz jung: Turnschuhe, Jeans, T-Shirt, Jacke, Handtasche – Frisur sitzt … passt! Ich überlege unwillkürlich, wie diese zwei jungen Frauen mich wohl sehen, da fällt mir ein früherer Post ein: Kleidung ist auch Kommunikation. Niemand scheint die Person wahrzunehmen, die in den Kleidern steckt. Wir sind doch nicht nur Kleiderständer – wir sind mehr! Wir sind nicht: Das Shirt, das ich trage. Das Geld auf meinem Konto. Das Auto, das ich fahre. Das Urteil über mich in den Köpfen anderer. Wir sind Menschen mit Träumen. Wir sind da, wo andere wegschauen. Wir sind die, die mit Worten Brücken bauen. Wir haben Licht im Herzen, das auch im Dunkeln leuchten kann. Wir haben Augen, die Schönheit erkennen, wo manch anderer nur Grau sieht. Wir können uns reflektieren – wir sind anders als das, was Leute sehen wollen oder können. Deshalb mein Tipp an mich selbst und auch an Dich: Bleib Dir selbst treu. Sei kein Schauspieler, der sich verkleidet, um in eine Rolle zu schlüpfen, die nicht deinem „Ich“ entspricht. Bleib ein Original, trage deinen Lieblingspullover und fühle dich wohl. Nur wenn wir uns innerlich und äußerlich wohlfühlen, können wir authentisch sein. Bleib glaubwürdig, erkenne deinen eigenen Wert. Verkleide dich nicht. Bleib, wer du bist – das werden auch deine Mitmenschen wahrnehmen und schätzen. Die Verkäuferin an der Theke reißt mich aus meiner Gedankenwelt. Ich höre mich lächelnd sagen: „Eine helle Brezel, bitte – in meinem Alter kann ich nicht mehr so hart kauen!“ Ein Schmunzeln ist mir gewiss … MF

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