Gedankenknoten lösen: Vom Berg zum Kieselstein
Kennt ihr das? Du kommst nach einem ereignisreichen Tag nach Hause. Du setzt dich hin, der frisch aufgebrühte Relax-Tee dampft in der Tasse, und du lässt den Tag noch einmal Revue passieren.
„Da sind sie wieder, meine drei Probleme …“ – man hört förmlich Otto Waalkes kichern. Aussichtslos, nicht zu bewältigen, wie soll das weitergehen? Das Gedankenkarussell dreht sich in Höchstgeschwindigkeit. „Warum immer ich?“, ist dein erster Gedanke. Es könnte doch alles so einfach sein – aber nein, nicht bei mir.
Der Tee ist inzwischen gut durchgezogen, du lehnst dich zurück und wartest darauf, dass er seine magische Wirkung entfaltet, so wie es auf der Packung steht. Fehlanzeige! Kurz überlegst du, dem Hersteller eine wütende E-Mail zu schreiben, dass die versprochene Wirkung des Tees nur leere Worte sind – da geht die Tür auf. Dein Partner kommt, ebenfalls erschöpft von einem langen Tag. Er bemerkt sofort die Spannung, die in der Luft liegt, und sagt: „Wirkt der Tee heute nicht? Was ist passiert?“ Er setzt sich zu dir an den Küchentisch.
Du beginnst ausführlich zu erzählen, was dir widerfahren ist. Die Worte, gespickt mit Emotionen, prasseln auf ihn ein. Er lehnt sich entspannt zurück und hört einfach nur zu, während du dich immer weiter in dein „Problem“ hineinsteigerst. „Wie kann er nur so ruhig bleiben?“, schießt es dir durch den Kopf. Ach ja – es ist ja nicht sein Problem. Deine Gedanken werden wilder, aus emotional wird wütend. „HILFE!“, schreit dein Verstand.
Dein Gegenüber, immer noch die Ruhe selbst, hebt die Hand, um dich kurz zu unterbrechen, und fragt: „Wo ist denn das Kernproblem? Das war jetzt eine Menge, was ich da verarbeiten soll.“ Stille im Raum. Du überlegst und suchst das Hauptproblem. Doch für dich besteht die Situation aus vielen Bausteinen, die sich zu einem riesigen, scheinbar unüberwindbaren Berg auftürmen.
Kidlin’s Law kommt dir in den Sinn. Es besagt: „If you can write the problem down clearly, you’re halfway to solving it.“ (Wenn du ein Problem klar aufschreiben kannst, ist es schon zur Hälfte gelöst.)
Wie kommen wir aus der Situation?
Wir greifen das mit dem Aufschreiben auf, und spontan fällt uns ergänzend eine chinesische Weisheit ein: „Wenn du einen Berg versetzen willst, beginne damit, kleine Steine wegzutragen.“
Aus dieser Kombination ergeben sich die Lösungsvorschläge der Konfliktbaustelle:
Erstelle für dich eine Liste – handschriftlich, auf einem Blatt Papier. So hast du es sichtbar vor dir.
Analysiere ohne Emotionen, schreibe nur die reinen Fakten auf. Mehrere Spalten helfen dir, den Überblick zu behalten.
Am Ende der Tabelle notiere konkrete Lösungsvorschläge.
So zerlegst du den „riesigen Berg“ in kleine Kieselsteine. Große Aufgaben lassen sich nur Schritt für Schritt, Stück für Stück bewältigen.
Sprich mit vertrauten Personen darüber. Lass dir andere Sichtweisen aufzeigen. Neue Ideen und Wege fließen mit ein.
Erkenne das Kernproblem: Was ist mir wirklich wichtig? Wo kann ich ansetzen? Welche Möglichkeiten habe ich, meine Wünsche umzusetzen?
Wenn du dein Geschriebenes noch einmal in Ruhe durchliest, ergibt sich vieles fast von selbst.
Natürlich lösen sich Probleme nicht in Luft auf, nur weil sie auf einem Blatt Papier stehen. Aber: Das Gedankenkarussell verlangsamt sich, der Berg, der vorher unüberwindbar schien, wird zu einem sanften Hügel. Die emotionale Last wird kleiner. Bleib ruhig, lass dich nicht stressen. In der Ruhe liegt die Kraft, und mit einer nüchternen Analyse nimmst du den kreisenden Gedanken die Macht, dich tagelang zu belasten.
Währenddessen hast du dir die zweite Tasse Tee eingeschenkt. Du atmest tief durch. Dein Fazit: Probleme dürfen uns nicht verzweifeln lassen und nicht die Kontrolle über unsere Gedanken übernehmen. Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Und damit kann der Relax-Tee endlich seine volle Wirkung entfalten. MF
Quellennachweise:
Otto Waalkes, „Da sind sie wieder, meine drei Probleme …“ stammt aus einem seiner klassischen Bühnenprogramme, in denen er den Alltagsmenschen karikiert, der ständig dieselben Schwierigkeiten mit sich herumträgt. Bezeichnenderweise werden die nie benannt, so dass jeder seine eigenen drei Lieblingsprobleme gedanklich einfügen kann.
Kidlin’s Law ist ein Kommunikations- und Selbstmanagement-Prinzip. Es macht deutlich: Schon das Aufschreiben eines Problems zwingt uns, es zu ordnen und greifbar zu machen – damit ist der erste große Schritt zur Lösung bereits getan.