Lob oder Lobhudelei – wenn Anerkennung das Team kippt
Vor vielen Jahren habe ich Auszubildende betreut. Junge Menschen sollte man mit Feingefühl auf das Arbeitsleben vorbereiten, schließlich hat jeder einen eigenen Charakter.
Die einen sind wie ein zartes Pflänzchen, das man behutsam gießen und stärken muss. Andere brauchen eine klare, freundliche, aber bestimmte Anleitung. Diese Mischung hat immer gut funktioniert: Die Azubis hatten nicht nur ordentliche Noten in den Prüfungen, sie haben auch etwas fürs Leben mitgenommen.
Heute begegnen mir jedoch neue Charaktere. Ohne ständiges Lob geht scheinbar gar nichts mehr! Und damit meine ich nicht ein „Das hast du gut gemacht“, sondern ausuferndes Lob, fast schon Lobhudelei.
Das Sprichwort „jemanden über den Klee loben“ trifft es ganz gut. Stellt euch eine typische Arbeitssituation vor: Ein Gemeinschaftsprojekt steht an. Ideen werden gesammelt, Aufgaben verteilt, das Team legt motiviert los. Wie so oft gibt es ein bis zwei Personen, die das Hauptthema erarbeiten, während die anderen wichtige Teilaufgaben übernehmen, damit das Gesamtwerk gelingt. Fast wie in einer Gastronomie-Küche: Der eine schneidet Gemüse, der andere kreiert die Soße, ein Dritter kümmert sich ums Fleisch. Am Ende zählt für den Gast das gesamte Menü.
Doch zurück zum Projekt: Heutzutage gibt es fast immer jemanden, der deutlich mehr Bestätigung einfordert, als nötig erscheint. Ständig die Frage: „Wie findest du das, was ich gemacht habe?“ Bei der Präsentation rückt sich diese Person oft in den Vordergrund, sonnt sich im Lob und erhält alle Lorbeeren. Für sie ist das ein Lebenselixier. Der Rest des Teams ist enttäuscht.
Natürlich – jeder von uns hört gerne ein Lob, das ist menschlich und völlig normal.
Aber: Wenn einer sagt „Da kannst du mit deiner Idee nicht gegen anstinken“, dann ist das für den Rest des Teams frustrierend. Die gemeinsame Leistung gerät ins Hintertreffen, und das Ungleichgewicht führt leicht zu Unmut und mangelnder Motivation im Hinblick auf die eigenen Aufgaben.
Das, was hier beschrieben wird, ist ein bekanntes Muster:
Manche Menschen haben ein starkes Grundbedürfnis nach Bestätigung. Wird es nicht gestillt, erleben sie Unsicherheit oder Verlustängste.
Und dann gibt es da noch die Teamdynamik: Wenn eine Person sich zu stark in den Vordergrund spielt, fühlen sich andere entwertet. Das führt zu Frustration, Demotivation und im schlimmsten Fall zu offenem Konflikt.
Hinzu kommt die sog. „Negativity Bias“:
Negative Erfahrungen („Meine Arbeit wird übergangen“) bleiben länger im Gedächtnis als positives Feedback. Das gefährdet die langfristige Zusammenarbeit und den nachhaltigen Erfolg des Teams.
Wie kommen wir aus der Situation?
Gezielt, nicht übertrieben loben. Echtes, konkretes Feedback wirkt besser als pauschales Lob. Beispiel: „Deine Präsentation war klar strukturiert, das hat geholfen.“ statt „Super gemacht!“.
Die Teamleistung betonen. Bei Präsentationen oder Besprechungen ausdrücklich die Gemeinschaft hervorheben. „Das Menü war nur so rund, weil alle Zutaten und Handgriffe gestimmt haben.“
Von Anfang an die Rollen klären: Schon bei der Aufgabenverteilung festhalten, wer welchen Beitrag übernimmt.
Regelmäßig Feedbackgespräche führen: Wenn jemand permanent Bestätigung sucht, ruhig ein Vier-Augen-Gespräch führen.
Dabei wertschätzen („Ich sehe deine Stärken“) und zugleich Grenzen setzen („Aber auch die Arbeit der anderen ist wichtig und muss sichtbar bleiben“).
Eigenes Erleben kommunizieren: Statt Vorwürfe machen, in Ich-Botschaften sprechen.
„Ich habe den Eindruck, dass unsere Gesamtleistung manchmal untergeht, wenn nur ein Teilbereich im Vordergrund steht.“
Lob fair verteilen, in Teammeetings gezielt mehrere Beiträge würdigen.
Das stärkt den Zusammenhalt und verhindert, dass eine Person die Bühne für sich beansprucht.
Lob ist wichtig – Lobhudelei dagegen verzerrt das Bild und gefährdet die Balance im Team.
Wer echte Anerkennung gibt, alle Beiträge sichtbar macht und Grenzen klar kommuniziert, sorgt für eine gesunde Teamdynamik.
Am Ende gilt: Nicht der lauteste Beitrag entscheidet, sondern das gemeinsame Menü, das allen schmeckt. MF