Veränderung und ihre Akzeptanz in unserem Umfeld
An einem sonnigen Tag im Mai schlendere ich durch die Stadt. Heute habe ich Zeit, nur für mich. Die Schaufenster sind bunt dekoriert, ich bleibe stehen und bewundere die Auslagen, als plötzlich eine Bekannte aus vergangenen Tagen neben mir auftaucht. Lange nicht gesehen. Wir beschließen spontan, in ein Café zu gehen. Wir erzählen uns aus unserem Leben, bis dieser Satz fällt:
„Du hast dich verändert, du warst doch früher nicht so!“
Das kleine Wörtchen so ist bei uns in der Region ein vollständiger Satz und kommt oft zum Einsatz. Die Verwendung ist vielseitig und bleibt – unausgesprochen, aber deutlich – im Raum schweben. Zur freien Interpretation des Angesprochenen.
Ich widerstehe dem Impuls, sofort zu kontern mit: „Du hast dich ja leider gar nicht verändert …“ und verabschiede mich kurz für einen Toilettengang. Dort angekommen, schaue ich in den Spiegel. Gut, ich bin älter geworden, trage meine Haare heute nicht mehr als Löwenmähne wie damals. Auch die Kleidung ist nicht mehr ganz schwarz – hellbunte Farben zieren meinen Körper. Um die Augen haben sich kleine Fältchen gebildet, die vom Lachen kommen. Natürlich habe ich mich verändert, äußerlich, das kann ich sehen. Mir gefällt mein Spiegelbild, und ich werfe mir lächelnd einen Luftkuss zu.
Viele Menschen haben ein veraltetes Bild von dir im Kopf, wenn sie lange nicht an deinem Leben teilgenommen haben. Früher mochte sie nur Kakao, heute trinkt sie Kaffee oder Tee. Irritierend: Sie hat sich verändert! Das hört sich banal an, doch in den Köpfen dieser Leute bleibst du immer ein Kakaotrinker – weil es eben immer so war.
Wir entwickeln uns stetig weiter, manchmal von außen unbemerkt – durch den Beruf oder soziale Kontakte, die unsere Sichtweise verändern. Beziehungen und Lebensumstände prägen uns. Auch die Jahre, die zwischen meinem fünfzehnjährigen Ich und heute liegen. Wir müssen uns nicht erklären, warum wir uns „verändert“ haben.
Wichtig ist für mich: Ich lerne gerne dazu. Andere Sichtweisen – aus Seminaren oder Gesprächen – regen meine Gedankenwelt an. Veränderungen sind ein stetiger Prozess. Man sollte sie annehmen, verinnerlichen und für sich selbst umsetzen. Reflektieren. Nicht stehenbleiben und in den Rückspiegel schauen. Aber: Man muss es auch wollen! Veränderungen anzunehmen ist nicht immer einfach. Oft hilft Unterstützung in Gesprächen mit Freunden oder der Austausch nach Seminaren. Mut zur Veränderung!
Natürlich prägen uns Lebensumstände, die zwanzig, dreißig Jahre zurückliegen. Das heißt aber nicht, dass wir das so hinnehmen und im Jahr 1990 stecken bleiben.
Für die Mitlesenden hier wünsche ich mir: Bleibt offen für Neues, verändert euch, wenn es sich für euch richtig anfühlt. Traut euch, Wege einzuschlagen, die nicht von euch „erwartet“ werden. Lasst euch nicht irritieren von Menschen, die ein anderes Bild von euch bevorzugen. Schlagt den Weg ein, den ihr gehen wollt! Man sagt nicht umsonst: Wenn dir der linke Weg nicht gefällt, nimm den rechten.
Lasst euch auf Gespräche ein, kommuniziert – andere Sichtweisen können befreiend sein für unseren Geist.
Vor allem aber: Lasst euch nicht in alte Verhaltensweisen stecken, nur weil es eben schon immer so war.
Am Tisch zurück kann ich mir als Kommunikationsprofi die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Ich fragte einfach nach:
„Sag mal, wie hast du das eigentlich gemeint mit deinem *‚Du bist ja SO geworden‘? War das jetzt eher positiv oder kritisch gemeint?“
Und siehe da: Mein Gegenüber überlegte kurz, lacht und meint dann: „Eigentlich positiv. Ich finde es schön, wie gelassen du geworden bist.“
Da hatte das geheimnisvolle „SO“ also gar nichts Bedrohliches, sondern war sogar als Kompliment gedacht. Hätte ich es im Raum stehen lassen, hätte ich womöglich noch lange darüber gegrübelt. Manchmal lohnt es sich also, solche kleinen Andeutungen nicht einfach wortlos hinzunehmen, sondern nachzufragen. Das schafft Klarheit, spart Energie und öffnet sogar die Tür zu einem tieferen Gespräch. Und wenn man Humor hat, kann man zum Abschluss doch noch einen kleinen Konter setzen:
„Na dann – auf unser nächstes Treffen in 20 Jahren. Mal sehen, wie wir dann so sind!“ MF