Die „goldene Gans“ – Märchen, Legende, Realität

Unlängst, auf dem Heimweg von einem Seminar im schwäbischen Ländle, meldete sich der Hunger. Rechts am Straßenrand entdeckte ich ein Schild: „Gasthof zur Goldenen Gans“. Also lenkte ich mein Auto auf den Parkplatz – zur frühen Abendstunde, um dem Magenknurren Abhilfe zu schaffen. Der Gasthof war bereits gut besucht, ich fand einen Platz in unmittelbarer Nähe des Stammtisches. Eine freundliche Kellnerin begrüßte mich und nahm meine Bestellung auf. Schon drangen Gesprächsfetzen an mein Ohr: „Eine gute Schwäbin muss putzen können, bis das Haus glänzt.“ Ein Zweiter legte nach: „Kartoffelsalat – schwäbisches Kulturgut – das muss sie beherrschen!“ Und der Dritte ergänzte: „Hefezopf backen, nicht vergessen …“ Ein Schmunzeln huschte über mein Gesicht. Stammtischparolen aus längst vergangenen Zeiten – oder sind diese Ansichten wirklich noch präsent? Meine Gedanken schweiften ab: Im Zeitalter von Dating-Apps – was schreibt man wohl ins Profil? „Suche Frau, die den perfekten Kartoffelsalat zaubern kann und weiß, wie man einen Putzlappen benutzt.“ Oder: „Goldene Gans gesucht, die alles kann.“ Oder, wie man früher auch solche Wunderwesen nannte: "Die eierlegende Wollmilchsau." Ein grotesker Gedanke. Gedankenverloren nippte ich an meinem Wasser, das die Kellnerin inzwischen vor mir abgestellt hatte. Ich verwarf diese Vorstellung und sinnierte weiter: Was ist denn heute wirklich wichtig? Ob Freunde, Kollegen oder Partner – was macht den Menschen aus, den ich um mich haben möchte? Nicht, was er „können muss“ oder darstellen soll, sondern Eigenschaften wie Natürlichkeit, Offenheit, Ehrlichkeit. Die Neugier, sich neuen Situationen zu stellen. Kommunikation auf Augenhöhe. Wertschätzung für das Gegenüber. Zuhören und Verstehen. Tipp der Konfliktbaustelle: Überlege für dich selbst, was du von anderen erwartest – und frage dich gleichzeitig, was dein eigenes Verhalten widerspiegelt. Werden wir unseren eigenen Maßstäben gerecht? Oder setzen wir die Erwartungen an unsere Mitmenschen manchmal zu hoch an, nur weil wir selbst anders denken und ticken? Versetze dich in die Lage des anderen, erkenne die Kehrseite der Medaille. Eine neue Sichtweise öffnet oft „Tür und Tor“. Suche Wege aus alten Verhaltensmustern – und bleibe nicht beim altbekannten „Das war schon immer so!“ stehen. Am Stammtisch nebenan legten die Herren übrigens nach: Das „nächste Level“ einer „guten Schwäbin“ wurde ausgerufen. Ich meine, es ging um Zwetschgenkuchen mit Streuseln, konnte dem herben Dialekt aber nicht ganz folgen. Da stand auch schon mein Abendessen vor mir: Maultaschen mit Kartoffelsalat. Und zum Nachtisch – laut Karte – ein frisch gebackener Hefezopf. Guten Appetit! Gastbeitrag MF

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