Angelesen, abgelehnt? Wenn Chatgruppen zur Konfliktbaustelle werden oder: Schweigen wird laut!
Neulich in der WhatsApp-Gruppe der Betreuungsassistenten.
„Leute, wie sieht’s aus, Samstag Lerngruppe zur Vorbereitung der Prüfung nächste Woche?“
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Dann passiert: nichts. Keine Absage. Kein „Bin raus“. Kein Like. Nur dieses nervöse Grummeln im Bauch, das wir alle kennen:
Hat niemand Lust? Hab ich was falsch gemacht? Bin ich jetzt peinlich? Können alle anderen schon alles?
Willkommen im Kommunikationssumpf moderner Gruppenchats.
Früher hießen Gruppen übrigens „Freundeskreis“, „Familie“ oder „Verein“, analog. Heute sind sie digitale Echokammern. Und manchmal klingen sie verdächtig leer.
Das Problem: Schweigen ist auch Kommunikation. Und zwar eine der besonders lauten Art.
Wenn niemand antwortet, wird das schnell persönlich genommen.
Das gesendete Emoji, das ignorierte Meme, das unbeantwortete Planungsangebot, alles verwandeln sich in stille Vorwürfe, die durch den Kopf geister:
„Nie reagiert ihr auf meine Ideen.“
„Ich hab’s doch gut gemeint.“
„Warum lese ich nur, aber keiner liest mich?“
Was folgt, ist oft das, was wir eigentlich vermeiden wollen, eine Entfremdung inmitten der Verbindung.
Man nennt das heutzutage FOMO – „Fear of Missing Out“, also die Angst, etwas zu verpassen. Diese stille Panik ist mittlerweile ein eigenes Krankheitsbild der Digitalmoderne.
Aber schlimmer ist vielleicht: Die Angst, übersehen zu werden.
Von den Menschen, mit denen wir virtuell „verbunden“ sind, aber real emotional auf Standby stehen.
WhatsApp-Gruppen sind oft kein Ort des Austauschs, sondern ein sozialer Spiegel:
Wer darf was sagen?
Wessen Nachricht wird ignoriert?
Wem wird geantwortet – mit Herzen, mit Witzen, mit echtem Interesse?
Früher hat man das mit Stiften als sog. Soziogramm am Flipchart erstellt. Heute entsteht es unfreiwillig digital in der WhatsApp-Gruppe.
Die Gruppenfunkstille ist wie eine Beziehungsbaustelle auf Autobahnbreite.
Alle sehen sie, keiner spricht sie an.
Hilfe naht, hier die Konfliktbaustellen-Tipps, wie man Gruppen wieder zum Reden bringt:
1. Schweigen erkennen – und benennen.
Nicht als Vorwurf, sondern als Impuls.
„Hey, hab ich euch überfordert mit dem Vorschlag? Oder war einfach der Zeitpunkt blöd?“
2. Aktiv statt passiv kommunizieren.
Statt nur zu lesen – reagieren.
Ein kurzes „Cool“, ein Daumen, ein „Bin dabei“ ist besser als gespenstische Stille.
3. Gruppenrollen hinterfragen.
Wer ist stiller Mitleser?
Wer fühlt sich verantwortlich für den Gesprächsfluss?
Nicht jeder muss immer schreiben – aber keiner sollte sich ausgeschlossen fühlen.
4. Die digitale Kommunikation nicht überfrachten.
Nicht alles muss sofort beantwortet werden.
Aber irgendwann schon.
Sonst wird der Gruppenchat zum Gruppenfrust.
5. Und wenn gar nichts hilft: das Gespräch suchen. Echt. Live. Ohne WLAN.
Ihr wisst ja, das ist der Joker schlechthin, wenn gar nichts mehr zu helfen scheint.
WhatsApp-Gruppen sind wie große Familienfeiern:
Alle sind da, aber nicht jeder redet mit jedem.
Das ist okay. Aber wenn alle schweigen, wird es unangenehm.
Manchmal ist die beste Antwort auf Funkstille nicht ein wütendes „Warum antwortet niemand?!“, sondern ein ehrliches Gespräch darüber, wie wir heute eigentlich noch miteinander in Verbindung bleiben wollen. Oder auch nicht, aber auch diese Einsicht schafft Klarheit.
Also: Besser ein ehrlich getipptes "Bin raus" – als ein stummes "Geh mir nicht auf die Nerven".
Denn auch das wird gelesen. Zwischen den Zeilen. Und zwischen den Herzen. MD