Der blaue Koffer - meine Büchse der Pandora?
Als Kind hatte ich einen hübschen kleinen Koffer. Er war blau, schon damals ziemlich alt, mit einer Holzbespannung als nostalgisches Dekoelement. Ich bewahrte meine Puppenkleider darin auf. Später, als ich älter wurde, nutzte ich ihn für andere Schätze meiner Jugend, Briefe, Kleinigkeiten, Erinnerungen.
Und als ich schließlich auszog, nahm ich ihn mit.
Seitdem zog der Koffer mit mir von Wohnung zu Wohnung. Ich öffnete ihn nie. Nicht ein einziges Mal.
Aber ich schleppte ihn mit. Immer.
Der Koffer wurde zu einem stillen Begleiter, zu einer Konstante in meinem Leben. Ich stellte ihn ab, unbemerkt, ungenutzt, aber irgendwie war er immer da.
Und wie oft machen wir das auch mit unseren inneren Themen?
Wir tragen Dinge mit uns herum, die wir nie wirklich anschauen, alte Gedanken, frühere Verletzungen, verlorene Träume.
Wie der Koffer stehen sie still in einer Ecke unseres Inneren.
Nicht ausgepackt, aber trotzdem immer präsent.
Sollte man solche inneren „Koffer“ irgendwann öffnen? Ist das nicht riskant?
Die Büchse der Pandora, heißt es, habe alles Übel der Welt freigesetzt, nur wegen Neugier.
Aber vielleicht ist es in unserem Fall genau andersherum:
Vielleicht brauchen wir diese Neugier, um herauszufinden, was wir wirklich mit uns herumtragen, und was uns davon heute noch gut tut oder belastet.
Reflektiere dich selbst: Was darf weg – was darf bleiben?
Sich selbst zu reflektieren bedeutet, sich ehrlich mit sich selbst auseinanderzusetzen:
Was hat mich geprägt? Welche Muster begleiten mich? Und welche Reaktionen, Ängste oder Erwartungen stammen vielleicht aus einem ganz anderen Kapitel meines Lebens?
Was in mir sorgt dafür, dass ich heute so reagiere?
Welche Entscheidungen habe ich getroffen, und warum?
Woher kommen meine Verhaltensmuster?
Wenn wir uns trauen, ehrlich hinzusehen, verstehen wir uns selbst besser.
Und wir gewinnen die Möglichkeit, Altes loszulassen oder umzudeuten – negative Erfahrungen in Erkenntnisse, Groll und Wut in Gelassenheit.
Oft helfen auch Gespräche mit vertrauten Menschen, sie können Wunder wirken.
Ein Abend mit einer Freundin, bei dem man sich gegenseitig spiegelt.
Ein Spaziergang, bei dem man laut denkt und jemand zuhört – urteilsfrei, offen, wohlwollend.
Und was darf bleiben?
Reflektion bedeutet nicht nur Ballast abwerfen.
Es bedeutet auch, sich bewusst zu machen, was bleiben darf, was stärkt, was uns ausmacht.
Denn wir sind nicht nur das, was wir loslassen, wir sind auch das, was wir liebevoll behalten.
Konfliktbaustellen-Tipps zur Selbstreflektion:
1. Sprich mit dir, und mit anderen.
Schreib Tagebuch, führe Selbstgespräche oder rede mit einem guten Freund. Manchmal entsteht schon dann Klarheit, wenn wir Dinge laut aussprechen.
2. Öffne die „Büchse“ behutsam.
Nicht alles muss auf einmal ans Licht. Nimm dir Zeit. Blättere wie in einem alten Album, mit Respekt, nicht mit Gewalt.
3. Erkenne deine Muster.
Frag dich: Was wiederholt sich in meinem Leben, und warum? Nicht zur Selbstanklage, sondern zur Selbstverstehen.
4. Frag dich, was du wirklich brauchst.
Was tut dir gut? Was darf gehen? Und was möchtest du in dein heutiges Leben mitnehmen?
5. Sei ehrlich, aber auch freundlich zu dir.
Selbstreflektion ist kein Gerichtsverfahren. Es geht nicht um Schuld, sondern um Wachstum.
Bei meinem letzten Umzug habe ich den blauen Koffer – ungeöffnet – zur Mülldeponie gebracht.
Ich weiß bis heute nicht, was darin war. Und ich vermisse nichts.
Aber ich weiß eines ganz genau:
Der Moment, als ich ihn mit Schwung in den Container warf, war befreiend. MF
Quelle zur Büchse der Pandora:
Die Büchse der Pandora ist ein zentraler Mythos der griechischen Antike. Laut Überlieferung erhielt Pandora von den Göttern eine verschlossene Büchse, mit dem ausdrücklichen Verbot, sie zu öffnen. Doch aus Neugier tat sie es dennoch – und ließ damit alles Übel in die Welt. Nur die Hoffnung blieb zurück, eingeschlossen auf dem Grund der Büchse.