Hobby-Horsing, Hobby-Dogging & Co. - ist das noch harmlos, oder muss das weg?

Was wir wirklich kommunizieren, wenn wir „virtuelle Hobbys“ ausüben: Es gibt Trends, die kommen leise, und bleiben. Und es gibt Trends, bei denen man sich fragt: „Meinen die das ernst?“ So ging es mir beim ersten Mal, als mir jemand vom „Hobby-Horsing“ erzählte: Menschen, meist Jugendliche, springen mit einem Steckenpferd durch Parcours, präsentieren Dressurlektionen und üben Schritt, Trab, Galopp. Und zwar nicht im Spaßraum der Kita, sondern mit erstaunlicher Ernsthaftigkeit. Mittlerweile ist das schon fest etabliert. Doch dann kam „Hobby-Dogging“: Menschen führen imaginäre Hunde an echten Leinen aus. Man kann Kurse buchen, für Leinenführung, Unterordnung, Hundepsychologie. Nur: Da ist kein Hund. Spätestens an dieser Stelle stellt sich die Frage: Was kommunizieren Menschen, die virtuelle Tiere ausführen? Und was sagt das über unsere Gesellschaft? Zuerst das Positive: Bewegungsdrang, Kreativität und eine Spur verspielte Leichtigkeit nehmen wir wahr. Bevor wir also die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, lohnt sich ein genauer Blick. Hobby-Horsing ist körperlich fordernd. Parcours, Sprünge, Gleichgewicht, die Jugendlichen bewegen sich wirklich. Und: Lieber durch die Halle galoppieren als auf TikTok scrollen. Beide Sportarten haben eine starke Community. Menschen treffen sich, lachen, probieren Neues aus, sind frei von Perfektionsdruck anderer Sportarten. Beim Hobby-Horsing steckt viel Fantasie drin: Selbst gestaltete Steckenpferde, Choreografien, freier Ausdruck. Auch beim Hobby-Dogging: Wer einen imaginären Hund führt, erfindet Geschichten, Eigenschaften, Reaktionen. Es entsteht eine kleine Parallelwelt, die man nach eigenem Bedarf steuern kann. Der psychologische Effekt: Nicht alles, was kindlich wirkt, ist kindisch. Playful Behaviour – also spielerisches Verhalten – verbessert nämlich: Stressverarbeitung emotionale Regulation Kreativität Selbstwertgefühl Vielleicht ist es schlicht erlaubt, wieder spielerisch zu sein. Wir müssen nicht immer funktionieren. So weit, so nett. Aber es gibt auch Schattenseiten. Das ganze ist womöglich eine Flucht in Ersatzwelten. Ein imaginärer Hund kann vieles, was ein echter Hund nicht kann: niemals weglaufen niemals krank werden niemals widersprechen niemals Pflichten erzeugen Der Mensch steuert alles selbst. Das ist psychologisch bequem, aber keine echte Auseinandersetzung mit Realität. Die Kommunikation nach außen ist: „Ich brauche keine Verpflichtung!“ Wer ein virtuelles Hobby wählt, sendet – bewusst oder unbewusst – eine Botschaft: „Ich möchte die schönen Seiten, aber nicht die Verantwortung.“ „Ich möchte Gemeinschaft, aber ohne echte Reibung.“ „Ich will Kontrolle, nicht Überraschung.“ Das ist menschlich. Aber es lohnt sich, es zu bemerken. Es zumindest für sich selbst zu erkennen. Und wie ist die öffentliche Wahrnehmung? Irritation! Viele Menschen reagieren ablehnend oder belustigt. Warum? Weil diese Trends an einem sensiblen Bereich rütteln: Wir spüren, dass unsere Gesellschaft ohnehin schon Probleme mit Realität, Verantwortung und Durchhaltevermögen hat. Virtuelle Hunde wirken wie ein Symbol dafür. Was kommuniziert also Hobby-Horsing gegenüber Hobby-Dogging? Hobby-Horsing: “Ich möchte mich bewegen und Spaß haben.” “Ich brauche kein echtes Pferd, um den Spirit zu leben.” "Ich nutze kreative Spielräume, weil echte Pferde teuer sind." Botschaft: „Ich mache das, was mir gefällt, und das ist okay.“ Hobby-Dogging: „Ich suche Zugehörigkeit, ohne Verpflichtung zu übernehmen.“ „Ich möchte Fürsorge spielen, ohne Verantwortung zu tragen.“ „Ich wünsche mir Nähe, aber ohne Risiko.“ Botschaft: „Die Sehnsucht ist da, aber die Welt ist mir zu kompliziert.“ Es wirkt oft weniger sportlich und mehr psychologisch. Wie gehen wir jetzt damit um: ist diese gesellschaftliche Entwicklung ein harmloser Trend oder Symptom einer Überforderung? Soziale Medien sind sich einig: „Jetzt geht’s bergab – schneller als gedacht.“ Die Hobbyisten sind in vielen Kommentaren gar wüsten Beschimpfungen ausgesetzt. Ganz so dramatisch sehe ich es nicht, aber ein Quentchen Wahrheit steckt doch dahinter: Die reale Welt wird komplizierter. Die Anforderungen an uns Menschen steigen. Perfektionsdruck wächst. Viele Menschen fühlen sich überfordert. Und in solchen Zeiten entstehen Ersatzwelten, in denen Menschen: Kontrolle zurückgewinnen Verantwortung minimieren Kreativität ausleben soziale Anerkennung erhalten. Virtuelle Hobbys sind also vielleicht weniger Absurdität und mehr Bewältigungs-Strategie einer belasteten Generation? Aber: Was kommt als nächstes? Hobby-Working – man tut so, als würde man arbeiten. (Achtung, das gibt es schon – Homeoffice 2020 war nah dran.) Hobby-Haushalt – man faltet imaginäre Wäsche. Energiesparend! Hobby-Erziehung – virtuelle Kinder machen keinen Ärger, versprechen aber starke Bindung. Hobby-Steuern – man füllt Formulare aus, die’s gar nicht gibt; erstaunlich befreiend. Hobby-Paartherapie – man streitet ohne Inhalt, versöhnt sich aber zuverlässig. Vielleicht ist das gar nicht so schlimm. Vielleicht brauchen wir einfach mehr Humor, mehr Spiel, mehr Leichtigkeit, und ein bisschen mehr echte Begegnung. Was die Trends über Kommunikation und Bedürfnisse verraten: Hobby-Horsing kommuniziert: „Ich spiele, weil es gut tut und ich mich bewegen will.“ Hobby-Dogging kommuniziert: „Ich sehne mich nach Bindung, aber ohne Risiko.“ Beide Trends zeigen Bedürfnisse: Bewegung, Kreativität, Gemeinschaft, Leichtigkeit – aber auch Unsicherheiten, Überforderung oder den Wunsch, Verantwortung zu dosieren. Wie so oft gilt auch hier: Die Dosis macht das Gift. Ein spielerischer Umgang mit Fantasie kann bereichern, entlasten und verbinden. Doch wenn das Spiel zur Flucht wird, vor echten Kontakten, echter Verantwortung oder echter Auseinandersetzung mit Menschen, dann kippt der Vorteil in ein Vermeidungsmuster. Die Aufgabe für uns ist also nicht, über die Trends zu lachen oder sie zu verurteilen, sondern sie zu verstehen: Wieviel Spiel tut gut – und ab wann entkoppelt es uns von der Realität? Und genau an dieser Stelle beginnt die Kommunikationsarbeit, auf unserer ganz persönlichen Konfliktbaustelle. MD

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