Süßes, Saures - und die kleinen Drohungen im Alltag, oder: do ut des - was ischn des?
Halloween ist gerade vorbei, und trotzdem spukt das Prinzip weiter durch unseren Alltag:
„Süßes, oder es gibt Saures.“
Du gibst etwas: Zeit, ein Kompliment, ein offenes Ohr – und irgendwo im Hinterkopf flüstert eine Stimme:
„Na, ein kleines Danke wäre schon schön …“
Wir alle kennen das.
Denn selten ist eine Gabe völlig frei von Erwartung.
Manchmal ist es nicht nur Großzügigkeit, sondern ein unausgesprochener Deal.
Oder, wie es die alten Römer so präzise nannten:
"do ut des" – Ich gebe, damit du gibst.
Jura, 1. Semester: "Gabe schielt nach Gegengabe."
Ein Grundprinzip sozialen Miteinanders, und oft auch Anlass sozialer Missverständnisse.
In Beziehungen, Freundschaften, Familien und Büros ist Geben selten einseitig.
Natürlich sagen wir:
„Ich mach das gern.“
Aber manchmal meinen wir:
„Und du dann bitte auch, wenn’s drauf ankommt.“
Denn auch, wenn wir nicht mitrechnen, wir merken, wenn das Gleichgewicht kippt.
Dann wird aus Geben ein stilles Fordern.
Und aus Freude wird Frust.
"do ut des" ist keine schlechte Sache.
Es ist menschlich.
Ein Ausdruck von Balance, von Beziehung, von Gegenseitigkeit.
Es funktioniert, solange beide Seiten wissen, dass sie Teil eines Austauschs sind.
Schwierig wird es, wenn wir uns selbst vormachen, wir erwarteten nichts.
Oder wenn wir enttäuscht sind, dass die Gegengabe ausbleibt – obwohl wir nie darum gebeten haben.
Und dann ist da noch die sanfte Erpressung im Alltag:
„Ich hab doch gestern für dich gekocht …“
„Ich war letzte Woche dran mit dem Putzen.“
„Wenn du heute wieder schweigst, weiß ich, was das heißt.“
Das sind keine offenen Drohungen, aber kleine kommunikative Stolperfallen.
Es ist das "do ut des" in der Version „Süßes oder Saures“.
Gibst du mir nicht, was ich will, dann entziehe ich dir etwas – Zuwendung, Zeit, Nähe oder Stimmung.
Wir lächeln dabei, aber die Botschaft kommt an.
Der andere spürt: Da steckt eine Rechnung dahinter.
Warum wir das tun?
Weil wir Sicherheit suchen.
Weil wir glauben, Kommunikation müsse fair sein – auf Gegenseitigkeit beruhen.
Und weil wir gelernt haben:
„Wer immer nur gibt, wird ausgenutzt.“
Aber genau hier entsteht die Konfliktbaustelle:
Wenn jedes Geben automatisch den Preis der Gegengabe hat,
verliert Beziehung ihren Zauber, und unsere Kommunikation ihre Leichtigkeit.
Konfliktbaustellen-Tipps: Zwischen Gabe und Groll:
1. Erwarte, aber sage es offen.
Wenn du willst, dass der andere etwas zurückgibt, sprich es aus.
„Ich wünsch mir, dass du dich auch mal meldest.“
ist ehrlicher als ein beleidigtes Schweigen.
2. Schenke, ohne gleich abzuwägen.
Ein Kompliment, eine Geste, ein „Wie geht’s dir?“ – gib es, weil du’s willst, nicht, weil du musst.
So entsteht Vertrauen, kein Handel.
3. Erkenne, wann du „Süßes oder Saures“ spielst.
Frag dich:
„Mache ich das gerade, um zu geben, oder um etwas zu bekommen?“
Manchmal hilft schon das Bewusstsein, um aus dem Tausch wieder echtes Miteinander zu machen.
4. Gegenseitigkeit ist gut, Erpressung ist lautlos.
„Ich gebe, damit du gibst“ ist Beziehungslogik.
„Ich gebe, sonst bekommst du gar nichts“ ist Beziehungsfalle.
Wir sind der Meinung, dass Kommunikation kein Tauschgeschäft ist.
Do ut des – Ich gebe, damit du gibst – ist ein alter römischer Grundsatz.
Damals ging es um Opfergaben an die Götter:
Man gab, um Gunst zu erlangen.
Heute opfern wir keine Tiere, sondern unsere Zeit, Geduld und Emotionen,
und hoffen auf Liebe, Wertschätzung oder ein einfaches „Danke“.
Aber echte Verbindung entsteht dort,
wo wir geben können, ohne zu drohen,
und nehmen dürfen, ohne zu schulden.
Vielleicht wäre das schönste Halloween für Erwachsene:
Kein „Süßes oder Saures“, sondern ein schlichtes:
„Ich gebe dir was – einfach so.“ MD
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