„Und was machen Sie so in Ihrer Freizeit?“ – Wenn Hobbys sprechen.

Neulich bei einer dieser Netzwerkveranstaltungen, die wir alle so genießen (hüstel). Ein Mann im Maßanzug reicht mir die Hand, sagt seinen Namen, nennt seine Position, und fragt dann die alles entscheidende Frage: „Und? Was machen Sie so in Ihrer Freizeit?“ Ich antworte höflich: „Ich schreibe, beschäftige mich mit Oldtimern und beobachte Menschen. Er nickt, professionell interessiert, aber nicht begeistert. Dann kommt sein Einsatz: „Ich bin leidenschaftlicher Golfer. Handicap 7. Und gerade aus Südafrika zurück, Business und Birdies, Sie verstehen?“ Dabei blitzt ein Lächeln auf, das gleichzeitig verheißt: Ich bin erfolgreich, gut vernetzt, stressresistent und weltgewandt. Aha. Das Hobby als Visitenkarte. Oder besser: als Kommunikationswaffe im Ellbogen-Krieg des Alltags. Hobbys sind Kommunikation, ob man will oder nicht. Was wir in unserer Freizeit tun, sagt manchmal mehr über uns aus als unser Lebenslauf. Das glaubt Ihr nicht? Hier ein paar Beispiele: Briefmarken sammeln? Zeugt von Sorgfalt, Geduld, Liebe zum Detail. Und vielleicht ein bisschen Nostalgie. Schiffsmodelle mit 38.000 Einzelteilen bauen? Verlangt Akribie, Fingerfertigkeit, Durchhaltevermögen. Bedeutet vielleicht auch Flucht aus dem Lärm der Welt. 8000er erklimmen, Fallschirm springen oder Tiefseetauchen? Die Voraussetzungen sind Mut, Risikofreude, Freiheitsdrang. Oder der Versuch, vor etwas zu fliehen, das man nicht benennen will. Und dann gibt es noch die andere Kategorie, wenn das Hobby zum Geschäftsmodell wird. Wer denkt, Golf sei nur Sport, hat wahrscheinlich noch nie ein Vierer-Flight mit Steuerberatern, Konzernjuristen und Immobilienentwicklern beobachtet. Da wird mehr verhandelt als im Sitzungssaal. Oder das scheinbar harmlose „Wandern im Wellnesshotel“, natürlich nicht ohne Vorstandsrunde und die strategische Fusion im Gepäck. Tennisplätze, Segelclubs, Oldtimer-Rallyes, alles bestens geeignete Kulissen für sogenannte Zufallsbegegnungen mit Tiefenwirkung. Natürlich hat niemand etwas gegen Freizeitgestaltung und deren Benennung. Aber manche Hobbys wirken eben wie auf Hochglanz polierte Kommunikationsflächen. Sie sagen etwas über die Person, noch bevor diese weiterspricht. Hobbys sind also keine bloßen Zeitvertreibe, sie sind Aussagen über uns selbst: Was ist mir wichtig? Wie gehe ich mit Zeit um? Was traue ich mir zu? Wie tief will ich graben, im Meer, in der Sammlung oder in mir selbst? Vielleicht hat auch das sprichwörtliche „Lego bauen mit den Kindern“ mehr zu erzählen als ein Rennpferd im Stall. Weil es zeigt, dass jemand in der Lage ist, sich kleinzumachen. Mit anderen auf Augenhöhe zu spielen. Oder einfach: präsent zu sein. Konfliktbaustellen-Tipps zum Thema Hobby: Sei dir zunächst einmal dessen bewusst, wenn dein Hobby sprechen könnte, was würde es sagen? 1. Wähle bewusst, nicht nur für das Schaufenster. Wenn du Golf spielst, weil du es liebst, ist das großartig. Wenn du es nur spielst, weil „man da gute Leute trifft“, dann ist das okay, aber vielleicht kein Hobby, sondern Networking mit Schläger. 2. Trau dich zur Eigenart. Wer mit Leidenschaft Singvögel zeichnet, hat vielleicht mehr zu erzählen als der zehnte Triathlet. Und oft mehr Zuhörer. Originalität ist Trumpf. 3. Nimm dir Zeit für das, was dir neue Kraft geben soll. Ein Hobby ist kein Job. Und auch keine Bewerbung. Es darf unvernünftig sein, langsam, nutzlos, Hauptsache, es ist deins. 4. Lass dein Hobby nicht zur Ersatzidentität werden. „Ich bin Kletterer.“ Schön. Aber wer bist du, wenn du nicht kletterst? 5. Und manchmal: Lass es auch mal sein. Stille ist auch ein Hobby. Eines, das erstaunlich viel über dich sagt, ohne ein einziges Wort. 6. Setze die Informationen über dein Hobby strategisch ein. Egal ob Töpferkurs oder Tauchschein, Bonsai-Zucht oder Bogenschießen, wir kommunizieren mit dem, was wir lieben. Und das ist gut so. Wenn ihr das nicht wollt, sprecht nicht drüber. Aber Vorsicht, wer behauptet, kein Hobby zu haben, sagt damit auch etwas aus. Vielleicht sollten wir ab und zu prüfen, ob unser Hobby auch zu uns passt, oder ob wir gerade nur dabei sind, auf dem Golfplatz Gespräche zu führen, die wir sonst nie führen würden. Wie wäre es mit verschiedenen Hobbys für verschiedene Gelegenheiten? Wir gehen ja zum Business-Meeting auch mit anderer Kleidung, anderer Uhr, anderem Schmuck aus dem Haus als zum Rock-Konzert, zum Kindergartenfest oder in den Biergarten. In diesem Sinne: Gute Unterhaltung, in erster Linie mit dir selbst über das Thema Hobby. Genieße deinen nächsten freien Nachmittag. MD

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