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Gedankenknoten lösen: Vom Berg zum Kieselstein

Kennt ihr das? Du kommst nach einem ereignisreichen Tag nach Hause. Du setzt dich hin, der frisch aufgebrühte Relax-Tee dampft in der Tasse, und du lässt den Tag noch einmal Revue passieren. „Da sind sie wieder, meine drei Probleme …“ – man hört förmlich Otto Waalkes kichern. Aussichtslos, nicht zu bewältigen, wie soll das weitergehen? Das Gedankenkarussell dreht sich in Höchstgeschwindigkeit. „Warum immer ich?“, ist dein erster Gedanke. Es könnte doch alles so einfach sein – aber nein, nicht bei mir. Der Tee ist inzwischen gut durchgezogen, du lehnst dich zurück und wartest darauf, dass er seine magische Wirkung entfaltet, so wie es auf der Packung steht. Fehlanzeige! Kurz überlegst du, dem Hersteller eine wütende E-Mail zu schreiben, dass die versprochene Wirkung des Tees nur leere Worte sind – da geht die Tür auf. Dein Partner kommt, ebenfalls erschöpft von einem langen Tag. Er bemerkt sofort die Spannung, die in der Luft liegt, und sagt: „Wirkt der Tee heute nicht? Was ist passier...

Metallica oder Helene Fischer? – Wenn das Radio im Büro zum Konflikt wird

Montagmorgen, 9 Uhr, das Büro füllt sich langsam zur Teambesprechung und zum Start in die Woche. Die Kaffeemaschine brummt, Tastaturen klappern – und im Hintergrund läuft SWR 1 Hitparade. Gerade eben sang Reinhard Mey von „Über den Wolken“, als plötzlich Metallica mit harten Gitarrenriffs übernimmt. Kollege Sven reißt begeistert die Arme hoch: „Endlich mal richtige Musik!“ Kollegin Anita verzieht das Gesicht: „Das ist ja furchtbar, wie soll man denn dabei arbeiten?“ Noch bevor der Streit abebbt, folgt Helene Fischer mit „Atemlos durch die Nacht“. Jetzt verdreht auch Kollege Sven die Augen: „Das halte ich nicht aus.“ Und so sind die Fronten klar: Musikgeschmack im Büro – ein Konflikt, der mit schöner Regelmäßigkeit aufflammt, nicht nur hier bei uns. Musik hat eine unglaubliche emotionale Kraft. Was für den einen Motivation ist, bedeutet für die andere Stress. Die SWR 1 Hitparade liefert mit ihrer Mischung aus allen Genres eine perfekte Bühne für dieses Spannungsfeld: Von Oldies bis Roc...

Lob oder Lobhudelei – wenn Anerkennung das Team kippt

Vor vielen Jahren habe ich Auszubildende betreut. Junge Menschen sollte man mit Feingefühl auf das Arbeitsleben vorbereiten, schließlich hat jeder einen eigenen Charakter. Die einen sind wie ein zartes Pflänzchen, das man behutsam gießen und stärken muss. Andere brauchen eine klare, freundliche, aber bestimmte Anleitung. Diese Mischung hat immer gut funktioniert: Die Azubis hatten nicht nur ordentliche Noten in den Prüfungen, sie haben auch etwas fürs Leben mitgenommen. Heute begegnen mir jedoch neue Charaktere. Ohne ständiges Lob geht scheinbar gar nichts mehr! Und damit meine ich nicht ein „Das hast du gut gemacht“, sondern ausuferndes Lob, fast schon Lobhudelei. Das Sprichwort „jemanden über den Klee loben“ trifft es ganz gut. Stellt euch eine typische Arbeitssituation vor: Ein Gemeinschaftsprojekt steht an. Ideen werden gesammelt, Aufgaben verteilt, das Team legt motiviert los. Wie so oft gibt es ein bis zwei Personen, die das Hauptthema erarbeiten, während die anderen wichtige T...

Zwischen Achtsamkeit und Unruhe: Stillsitzen muss nicht immer gut sein

Loriot hat es schon vor Jahrzehnten auf den Punkt gebracht: Die Frau steht in der Küche beim Abwasch, der Mann sitzt im Wohnzimmer auf dem Sofa. Auf ihre wohlmeinenden Vorschläge – ein Buch lesen, spazieren gehen, fernsehen, irgendetwas tun – antwortet er nur beharrlich: „Ich will einfach nur hier sitzen.“ Ein Sketch, der damals zum Lachen brachte – und heute erstaunlich aktuell wirkt. Denn die Fähigkeit, „einfach mal nur zu sitzen“, scheint vielen Menschen verloren gegangen zu sein. Wir leben in einer Zeit, in der Stille fast schon verdächtig wirkt. Das Smartphone meldet sich mit Nachrichten. Podcasts, Playlists oder Streams laufen im Hintergrund. Selbst beim Warten an der Ampel greifen wir reflexartig zum Display. Es scheint, als hätten wir verlernt, uns selbst auszuhalten. „Nichts tun“ löst bei vielen sofort das Gefühl aus, Zeit zu verschwenden. Lieber lassen wir uns berieseln, beschäftigen uns – Hauptsache nicht stillsitzen. Doch genau diese Stille ist wertvoll. Wer sich im Wald ei...

6:4 gegen die Liebe – wenn Checklisten Beziehungen zerstören

In der letzten Mediation beklagte sich die Ehefrau darüber, ihr Mann erfülle ja schon länger nicht mehr die "Kriterien" und Anzeichen für wahre Liebe. Sie könne so nicht mehr in ihrer Ehe weiterleben. Zur Erklärung verwies sie auf unsere verblüffte Frage auf You-Tube, dort habe sie das "getestet". Wir alle kennen diese Videos auf YouTube: „10 Zeichen für die wahre Liebe“, „7 Möglichkeiten, Narzissten zu entlarven“. Coaches und Berater und selbsternannte Experten erklären dort, wie man Beziehungen besser versteht, oder glaubt, verstehen zu können. Doch was passiert, wenn jemand die „10 Zeichen der wahren Liebe“ tatsächlich wie eine Checkliste anwendet? Er prüft Punkt für Punkt, hakt ab, und kommt am Ende zu dem Ergebnis: 4 erfüllt, 6 nicht erfüllt. Also: 6 zu 4 gegen die wahre Liebe mit meinem Partner. Und genau hier schlägt das sog. Thomas-Theorem zu. „Wenn Menschen Situationen als real definieren, sind sie in ihren Folgen real.“ (William I. Thomas, 1928) Es ist...

Lenkrad & Lebensstil – was wir mit unserem Fahrstil kommunizieren

Ich glaube, einen Cadillac Escalade zu fahren ist wie Tango tanzen. Ich helfe euch gerne auf die Sprünge: Ein Cadillac Escalade ist ein ziemlich großes Ungetüm von SUV, das man ehrfürchtig „erklimmt“ und mit einer gewissen Hochachtung vorsichtig in Bewegung setzt. Anfangs fährt man eher ängstlich, fast zurückhaltend, nimmt mehr Rücksicht auf andere als auf sich selbst. Doch nach einiger Zeit wird man sicherer, selbst auf schmalen Straßen. Man „fordert“ den Gegenverkehr in gewisser Weise heraus, noch einmal über die Fahrzeugbreite seines eigenen Wagens nachzudenken … und die eigene Fahrspur im Bruchteil einer Sekunde neu zu berechnen. Und Tango? Jeder denkt: „Ein schwieriger Tanz! Niemand traut sich da ran …“ Der Tanzbereich, die schnellen Bewegungen, die Angst, Fehler zu machen. Unser Fahrstil und unser Tanzstil sind also mehr als reine Fortbewegung – sie sind Ausdruck unserer inneren Haltung. Ähnlich wie beim Tanz senden wir auch im Straßenverkehr durch unseren Fahrstil Botschafte...

Komplimente haben ein Verfalldatum, Beleidigungen eher nicht

Ein Treffen mit Freunden steht auf meinem gut gefüllten Terminplan. „Abendessen“ ist da rot markiert. Was hat mich nur veranlasst, alle Freunde zu mir nach Hause einzuladen? Zum Glück bringt jeder der Gäste etwas mit. Für mich bedeutet das: Die alleinige Küchenschlacht fällt heute aus. Durchatmen! Ich komme etwas früher nach Hause und beginne, den Tisch hübsch zu dekorieren. Passende Servietten, es wird ein mediterraner Abend. Das „i-Tüpfelchen“ fehlt noch. Ein Blick in den Garten, die Schere in der Hand – und schon schneide ich Kräuter und ein paar Blumen. Es entsteht ein Ensemble, nicht aufdringlich, aber liebevoll, auf dem bereits gedeckten Tisch. Ich bin zufrieden mit meinem Arrangement. Es bereitet mir Freude, etwas Einladendes, Behagliches zu gestalten. Die Gäste treffen ein. Das erste „Wow“ beim Anblick des Tisches lässt nicht lange auf sich warten. Lob über die Dekoration, die erste Flasche Wein wird geöffnet, ich seufze zufrieden. Balsam für die Seele. Dann kommt Uwe. Selbs...