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Was kommuniziere ich, wenn ich einfach mal nichts sage? Von der Kunst, Stille sprechen zu lassen.

Sie saßen nebeneinander auf der kleinen Holzbank vor dem Grab. Vater und Tochter. Er mit wettergegerbtem Gesicht, die Hände gefaltet, die Mütze auf dem Knie. Sie mit geröteten Augen und einer Thermoskanne, aus der sie zwei kleine Becher Tee einschenkte. Sie sprachen nicht. Kein Wort über die Beerdigung. Kein Wort über die Mutter. Kein „Wie geht es dir?“ Nur der Tee, das leise Gluckern beim Eingießen, ein kurzes Nicken. Als sie aufstand, strich sie ihm kurz über den Rücken. Er sagte: „Danke.“ Das war alles. Und doch war alles gesagt. Stille ist keine Leerstelle in der Kommunikation, sie ist eine aktive Form des Ausdrucks. Wer schweigt, sagt nicht zwingend nichts. Schweigen kann Anteilnahme ausdrücken, ohne Worte zu bemühen, die doch nicht reichen würden. Schweigen kann Abgrenzung signalisieren, wo Worte nichts bewirken würden. Schweigen kann Raum geben, damit Gefühle sich sortieren können. Schweigen kann Druck nehmen, wo Gespräche zu viel verlangen. In einer Welt, in der ständige Rea...

"Sitz! Platz! Aus!" Kommunikationsmuster mit tierischen Weggefährten.

Was die Wahl unseres Haustieres über uns verrät: Samstag im Stadtpark. Ein Mann in Designerjacke läuft mit einem perfekt frisierten Großpudel an der Leine. Gekonnt bewegt sich das Duo im Gleichschritt, als würde Karl Lagerfelds Geist mitjoggen. Ein paar Meter weiter kommt ein Typ mit Jogginghose, Undercut und zerkauter Hundeleine um den Hals, geführt von einem breitschultrigen, sabbernden American Bully. Die beiden Männer begegnen sich, nicken sich freundlich-distanziert zu, sagen aber nichts. Der Pudelmann schaut auf den Bully. Der Bullymann auf den Pudel. Und beide denken vermutlich das Gleiche: „Typisch.“ Was sagt unser Haustier über uns aus? Mehr als wir glauben. Denn die Wahl unseres tierischen Begleiters ist nicht nur eine Frage des Fells oder der Futtergewohnheiten, sie ist Kommunikation in Reinform. Wir projizieren, spiegeln, kompensieren oder unterstreichen durch unsere Tiere Eigenschaften, die wir: an uns selbst mögen, gern hätten, oder die wir im Alltag zu w...

„Was klebst du dir da eigentlich auf die Karre?“

Was wir wirklich sagen, wenn wir Aufkleber auf Auto, Helm oder Fahrrad anbringen Vorhin an der Ampel: Ein kleiner, zerkratzter Polo mit mattem Lack vor mir. Hinten drauf ein wilder Mix aus Weltanschauung und Freizeitverhalten: „Atomkraft? Nein danke“ neben „Lieber nackt als Pelz“, darunter ein „Ein Herz für Kinder“, eingerahmt von „Waldorfschule“ und „Ich war auf dem Watzmann“. Dazwischen schielt ein Aufkleber: „Ich bremse auch für Dich.“ Ich fahre rechts vorbei, neugierig geworden. Am Steuer sitzt ein älterer Herr mit Basecap, Nickelbrille, und einem Papagei auf dem Beifahrersitz. Kein Scherz. Er sieht mich, nickt, grinst. Ich nicke zurück. Ich weiß nicht, wie er heißt, was er beruflich macht oder welche Musik er hört. Aber irgendwie… weiß ich doch eine ganze Menge. Was kommunizieren wir mit Aufklebern? Aufkleber sind Mini-Botschaften. Sie kleben an Dingen, aber sprechen für Menschen. Ob Auto, Lastenrad, Helm oder Gitarrenkoffer: Wer etwas sichtbar anklebt, der möchte gesehen, ge...

"Bin ganz bei dir – warte kurz, nur noch diese Nachricht ..."

Was wir wirklich kommunizieren, wenn wir im Gespräch ständig aufs Handy schauen: Samstag beim Lieblings-Italiener. Ein junges Paar sitzt am Nebentisch. Der Kellner bringt die Pizza. Sie sagt: „Danke, sieht super aus.“ Er nickt, aber schaut auf sein Handy. Sie beginnt zu essen. Er tippt noch. Sie: „Ich wollte dir was erzählen.“ Er: „Mhm. Warte. Nur kurz. Der Kollege hat was in die Gruppe geschrieben.“ Sie schiebt die Pizza beiseite. Er lacht auf. Aber nicht über ihren Witz. Das Gespräch ist zu Ende, bevor es begonnen hat. Und die Pizza? Wird kalt. Wie das Gesprächsklima. Was passiert da eigentlich? Ständiges auf-das-Handy-Schauen in einem Gespräch ist mehr als eine schlechte Angewohnheit, es ist eine körperliche Botschaft. Eine Kommunikation über den eigenen Körper, die sagt: "Ich bin nicht ganz da." "Du bist gerade nicht meine erste Priorität." "Etwas anderes ist spannender als du." Natürlich ist das selten böse gemeint. Die digitale Welt ...

"Ich will ja nichts sagen, aber …" – Was steckt dahinter?

Neulich auf einem Familiengeburtstag, Namen der beteiligten Personen geändert, Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig. Kaffee, Kuchen, Kerzen, und der übliche Wahnsinn. Lisa wird heute 17. Neues Kleid, neues Haarstyling, 1 Stunde Schminken. Tante Ruth beugt sich zu ihrer Nichte vor und sagt, mit dem Blick auf deren neue Frisur: „Ich will ja nichts sagen, aber mit Pony sieht man halt schnell kindlich aus.“ Stille. Lisa lächelt gezwungen. Der Onkel fragt, ob noch Käsekuchen da ist. Später wird Lisa sagen: „Warum muss sie das immer machen? Tut so, als wär es harmlos – und dann trifft es ins Herz.“ Was steckt hinter „Ich will ja nichts sagen, aber …“? Dieser Satz gehört zur Familie der verkleideten Kommentare. Er klingt wie ein Rückzieher – ist aber oft ein Vorbote eines verbalen Nadelstichs. Was folgt, ist fast nie neutral, sondern: eine verdeckte Kritik, eine Belehrung mit Sicherheitsabstand, oder ein Kommentar mit eingebautem Fallschirm: „Falls du dich a...

Ratschläge sind auch Schläge! Was kommuniziere ich, wenn ich ungefragt Ratschläge gebe?

Gestern im Elektrofachmarkt, ich suche Batterien für meine Fernbedienung. Ein Mann um die 40 steht vor der Wand mit den neuen Ultra-Wasweißich-HD-Fernsehern. Neben ihm eine ältere Dame, konzentriert auf ein Modell im mittleren Preissegment blickend, Zettel in der Hand. Sie mustert die Preisschilder, tippt unsicher auf die Fernbedienung. Da beugt sich der Mann leicht zu ihr rüber und sagt laut genug für die halbe Abteilung: „Also den hier würd ich nicht nehmen – viel zu kleiner Kontrastwert, und das Smart-TV-System ist Mist. Ich erklär Ihnen kurz, worauf Sie achten müssen.“ Die Frau lächelt höflich, lässt die technischen Erklärungen über sich ergehen, murmelt etwas Unverständliches und nimmt dann, man kann es kaum glauben, genau diesen Fernseher. Der Mann schüttelt unmerklich den Kopf. Sie lächelt. Vielleicht, weil sie den ersten Fernseher ihres Lebens kauft. Vielleicht, weil sie keine Lust hat, sich belehren zu lassen, wie ihr verstorbener Mann das immer getan hat. Vielleicht, weil de...

"Goldprägung oder Zettelwirtschaft – Was sagt deine Visitenkarte über dich aus?"

Neulich auf einem Netzwerktreffen. Ich, wie immer mit einer kleinen Schachtel frischer Visitenkarten in der Tasche, schlicht, klar, seriös. Kommt ein junger Mann auf mich zu, stellt sich vor und sagt: „Ich mach alles, was mit Medien zu tun hat.“ Ich: „Oh, interessant! Haben Sie eine Karte?“ Er zieht ein kleines Papierviereck aus dem Portemonnaie, handgeschnitten, mit Kugelschreiber beschriftet: "Tom. Insta: tommedialifestyle" Darunter ein kleiner Smiley. Und ein Fleck. Ich hoffe auf Kaffee. Später spricht mich ein Herr an, stylischer Anzug, Bluetooth-Anhänger an der Jacke. Er hält sein Smartphone in die Luft: „Einmal antippen, und du hast alle meine Daten. Inklusive Link zu meinem Podcast.“ Ich tippe. Mein Handy brummt. Instagram, LinkedIn, Spotify, WhatsApp und ein Kalenderlink springen mich an. Ich sage freundlich: „Das ist... viel.“ Er grinst: „So bin ich eben.“ Visitenkarten sind Kommunikationsmittel. Ob aus dickem Hammerschlag-Karton mit Goldschrift oder schnell auf de...