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Sendepause – oder: Was sagt es, wenn ich mal nichts sage?

  „Na, alles okay bei dir? Schon lange nix mehr gelesen von dir...“ Diese Nachricht landete gestern in meinem Posteingang. Nett gemeint, besorgt formuliert, mit einem Unterton zwischen: „Ich vermisse deine Beiträge!“ „Hoffentlich ist nichts passiert.“ und: „Du postest sonst doch immer – warum jetzt nicht?“ Ja, warum eigentlich nicht? Der letzte Blogpost ist vom 2. Dezember. Keine Zeile seither. Kein Glühweinfazit, kein Jahresrückblick, nicht mal ein stilles „Hallo 2026“. Ist der Autor verschollen? Erkältet? Innerlich ausgewandert? Nein, keine Sorge. Ich lebe noch. Nur habe ich… nichts geschrieben. Und schon bin ich mitten im Thema. Wenn jemand, der sonst regelmäßig schreibt, plötzlich eine Pause einlegt, beginnt das große Rätselraten. Wir Menschen sind Deutungsmaschinen. Wir interpretieren, was nicht gesagt wird, oft lauter als das, was klar ausgesprochen ist. Ein paar typische Lesarten der digitalen Funkstille: „Oh, der ist bestimmt krank oder hat Burnout.“...

Aller guten Dinge sind drei …

Neulich bei der Recherche für ein Referat über Aberglauben und seine Bedeutung im heutigen Alltag habe ich mich tiefer als geplant in die verzweigten Wege dieses Themas hineingelesen. Vom Mittelalter bis in die Gegenwart – Aberglaube ist erstaunlich lebendig geblieben. Und dabei fiel mir etwas auf, das wie ein roter Faden durch viele Geschichten, Rituale und Denkweisen führt: Die Zahl Drei. Sie taucht überall auf – ganz gleich ob im Religiösen, im Volksglauben oder in der Alltagskommunikation. Ein paar Beispiele gefällig? Die Dreifaltigkeit im christlichen Glauben: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Glaube, Liebe, Hoffnung – ein klassisches Trio der Tugenden. Die drei Affen : Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Sprichwortklassiker : „Aller guten Dinge sind drei.“ Oder auch das Gleichgewicht der Natur: Erde, Sonne, Mond . Sogar in unseren Kindheitsgeschichten taucht sie immer wieder auf: Drei Prüfungen müssen bestanden werden. Drei Wünsche werden erfüllt. Drei...

Leise rieselt der Stress – Vom Wunsch nach Stille in einer lauten Zeit

Neulich schrieb mir ein geschätzter Mediationskollege: „Wie wär’s mit einem kleinen Adventstreffen? Glühweinstand, lockerer Austausch, vielleicht Samstag 17 Uhr auf dem Weihnachtsmarkt?“ Ich las die Nachricht, lächelte, und spürte gleichzeitig ein Ziehen im Bauch. Nicht, weil ich ihn nicht mag. Nicht, weil ich etwas gegen Begegnungen habe. Sondern weil ich an diesem Adventswochenende vor allem eines suche: Ruhe. Und weil der Gedanke an den Weihnachtsmarkt eher Stress in mir auslöst als Vorfreude. Früher war der Advent für mich eine besondere Zeit. Kerzenlicht, Plätzchenduft, Vorfreude. Ein Innehalten vor dem großen Fest. Eine leise Hinwendung nach innen. Heute? Weihnachtsmärkte sind rappelvoll, Glühwein kostet 6 Euro plus Pfand, die Musik kommt vom Band, ist nicht mein Geschmack, und zwischen Punsch und Plastiksternen schieben sich die Menschen mit Blick aufs Handy durch die Deko-Kulisse. Romantik? Irgendwo zwischen den Essensständen verloren gegangen. Dabei war der Advent ursprüngl...

Unbezahlbar?
Vom Wert der Dinge und dem Preis für Menschlichkeit

Neulich bin ich beim Durchstöbern der Mediatheken bei "Bares für Rares" hängen geblieben. Jeder hat vermutlich schon mal von dieser Sendung gehört, ich bisher nur gehört, nie gesehen. Also klickte ich neugierig drauf und ließ mich auf die Welt der Dachbodenfunde ein. Zu sehen: Menschen, die scheinbar alltägliche Dinge mit großer Geschichte und emotionalem Wert präsentieren. Schmuckstücke, die jahrzehntelang verschollen waren, Erinnerungsstücke aus Uromas Zeiten – für den einen Ramsch, für den anderen ein Schatz. Und genau das bringt mich zum Nachdenken. In der Sendung wird zuerst von einer sachverständigen Person jedem Gegenstand ein Wert zugeschrieben, gemessen an Zustand, Alter, Seltenheit und Begehrtheit auf dem Markt. Doch den tatsächlichen Preis bestimmt dann die Verhandlung, das Marktgeschehen, das Interesse der Käufer. Klingt nach Wirtschaft? Ist es auch. Und trotzdem geht es um mehr. Denn was ist eigentlich der Wert, und was ist der Preis? Ich denke an mein altes ...

Selfcare oder Selbstbetrug? – Wenn Achtsamkeit zur Leistungsdisziplin wird

Neulich im Wartezimmer des Hausarztes, 08.15 Uhr, gottseidank sollte ich nur ein Rezept abholen. Neben mir blättert eine Dame, schätzungsweise Mitte Dreißig, in einer Zeitschrift mit dem Titel "Selfcare für starke Frauen". Als ihr Name aufgerufen wird, sagt sie strahlend und mit echtem Stolz in der Stimme zur Arzthelferin: „Ich bin heute schon um 5:00 Uhr aufgestanden, habe meditiert, Journaling gemacht, kalt geduscht und meine 10.000 Schritte fast voll, ich brauche jetzt nur noch das Rezept, dann ist mein Tag komplett.“ Wow. Ich dagegen hatte mich mit großer Anstrengung aus dem Bett geschält, ein kurzes Frühstück genossen und bin vergleichsweise ziemlich unachtsam in meinen Tag gestolpert. Aber was mich an der Szene beschäftigte, war nicht etwa Neid auf ihre Disziplin. Es war eine Frage: Was kommunizieren wir eigentlich, wenn wir stolz verkünden, wie selbstfürsorglich wir um 5:00 Uhr in den Tag gestartet sind? Selfcare, also Selbstfürsorge, soll uns ja eigentlich schützen...

Angelesen, abgelehnt? Wenn Chatgruppen zur Konfliktbaustelle werden oder: Schweigen wird laut!

Neulich in der WhatsApp-Gruppe der Betreuungsassistenten. „Leute, wie sieht’s aus, Samstag Lerngruppe zur Vorbereitung der Prüfung nächste Woche?“ Gesehen: 11. Antworten: 0. Dann passiert: nichts. Keine Absage. Kein „Bin raus“. Kein Like. Nur dieses nervöse Grummeln im Bauch, das wir alle kennen: Hat niemand Lust? Hab ich was falsch gemacht? Bin ich jetzt peinlich? Können alle anderen schon alles? Willkommen im Kommunikationssumpf moderner Gruppenchats. Früher hießen Gruppen übrigens „Freundeskreis“, „Familie“ oder „Verein“, analog. Heute sind sie digitale Echokammern. Und manchmal klingen sie verdächtig leer. Das Problem: Schweigen ist auch Kommunikation. Und zwar eine der besonders lauten Art. Wenn niemand antwortet, wird das schnell persönlich genommen. Das gesendete Emoji, das ignorierte Meme, das unbeantwortete Planungsangebot, alles verwandeln sich in stille Vorwürfe, die durch den Kopf geister: „Nie reagiert ihr auf meine Ideen.“ „Ich hab’s doch gut gemeint.“ „Warum lese i...

Hobby-Horsing, Hobby-Dogging & Co. - ist das noch harmlos, oder muss das weg?

Was wir wirklich kommunizieren, wenn wir „virtuelle Hobbys“ ausüben: Es gibt Trends, die kommen leise, und bleiben. Und es gibt Trends, bei denen man sich fragt: „Meinen die das ernst?“ So ging es mir beim ersten Mal, als mir jemand vom „Hobby-Horsing“ erzählte: Menschen, meist Jugendliche, springen mit einem Steckenpferd durch Parcours, präsentieren Dressurlektionen und üben Schritt, Trab, Galopp. Und zwar nicht im Spaßraum der Kita, sondern mit erstaunlicher Ernsthaftigkeit. Mittlerweile ist das schon fest etabliert. Doch dann kam „Hobby-Dogging“: Menschen führen imaginäre Hunde an echten Leinen aus. Man kann Kurse buchen, für Leinenführung, Unterordnung, Hundepsychologie. Nur: Da ist kein Hund. Spätestens an dieser Stelle stellt sich die Frage: Was kommunizieren Menschen, die virtuelle Tiere ausführen? Und was sagt das über unsere Gesellschaft? Zuerst das Positive: Bewegungsdrang, Kreativität und eine Spur verspielte Leichtigkeit nehmen wir wahr. Bevor wir also die Hände über de...

Der blaue Koffer - meine Büchse der Pandora?

Als Kind hatte ich einen hübschen kleinen Koffer. Er war blau, schon damals ziemlich alt, mit einer Holzbespannung als nostalgisches Dekoelement. Ich bewahrte meine Puppenkleider darin auf. Später, als ich älter wurde, nutzte ich ihn für andere Schätze meiner Jugend, Briefe, Kleinigkeiten, Erinnerungen. Und als ich schließlich auszog, nahm ich ihn mit. Seitdem zog der Koffer mit mir von Wohnung zu Wohnung. Ich öffnete ihn nie. Nicht ein einziges Mal. Aber ich schleppte ihn mit. Immer. Der Koffer wurde zu einem stillen Begleiter, zu einer Konstante in meinem Leben. Ich stellte ihn ab, unbemerkt, ungenutzt, aber irgendwie war er immer da. Und wie oft machen wir das auch mit unseren inneren Themen? Wir tragen Dinge mit uns herum, die wir nie wirklich anschauen, alte Gedanken, frühere Verletzungen, verlorene Träume. Wie der Koffer stehen sie still in einer Ecke unseres Inneren. Nicht ausgepackt, aber trotzdem immer präsent. Sollte man solche inneren „Koffer“ irgendwann öffnen? Ist das ...

Wer nur fürs Wochenende lebt, verpasst fünf Siebtel der Woche ...

und ist jeden Montag ein Verlierer! Heute morgen beim Frühstück: Ein TikTok-Video geht viral. Ein junger Influencer klagt: Acht Stunden täglich arbeiten? Unmöglich! Wie soll man da noch leben? Die Empörung ist groß – und das nicht nur in den Kommentarspalten. Denn der Subtext ist klar: Arbeit ist lästig. Sie steht dem „echten Leben“ im Weg. Und damit sind wir mitten in einer Kommunikationsbaustelle, die größer ist als ein viraler Clip: Was bedeutet Arbeit eigentlich für uns, in unserer Gesellschaft, heute im Jahr 2025? Die Idee, dass Arbeit etwas ist, was „auszuhalten“ sei, und das eigentliche Leben erst nach Feierabend beginnt, ist weit verbreitet. Aber diese Idee ist auch gefährlich. Denn sie tut so, als sei jeder, der in seiner Arbeit Freude, Sinn, Stolz oder gar Identität findet, ein hoffnungsloser Fall. Das ist herabwürdigend. Die These, dass man sich nur in der Freizeit, beim Yoga-Retreat oder beim Dropshipping aus Bali selbst verwirklichen kann, ist schlicht falsch. Die Fra...

„Und was machen Sie so in Ihrer Freizeit?“ – Wenn Hobbys sprechen.

Neulich bei einer dieser Netzwerkveranstaltungen, die wir alle so genießen (hüstel). Ein Mann im Maßanzug reicht mir die Hand, sagt seinen Namen, nennt seine Position, und fragt dann die alles entscheidende Frage: „Und? Was machen Sie so in Ihrer Freizeit?“ Ich antworte höflich: „Ich schreibe, beschäftige mich mit Oldtimern und beobachte Menschen. Er nickt, professionell interessiert, aber nicht begeistert. Dann kommt sein Einsatz: „Ich bin leidenschaftlicher Golfer. Handicap 7. Und gerade aus Südafrika zurück, Business und Birdies, Sie verstehen?“ Dabei blitzt ein Lächeln auf, das gleichzeitig verheißt: Ich bin erfolgreich, gut vernetzt, stressresistent und weltgewandt. Aha. Das Hobby als Visitenkarte. Oder besser: als Kommunikationswaffe im Ellbogen-Krieg des Alltags. Hobbys sind Kommunikation, ob man will oder nicht. Was wir in unserer Freizeit tun, sagt manchmal mehr über uns aus als unser Lebenslauf. Das glaubt Ihr nicht? Hier ein paar Beispiele: Briefmarken sammeln? Zeugt von So...

„Ich war auf deiner Webseite – und wusste trotzdem nicht, was du tust“

(…aber bei manchen weiß man es sofort) Neulich saß ich mit einer Jugendamtsmitarbeiterin beim Kaffee. Sie: „Du kennst dich doch mit Kommunikation aus … schau mal bitte auf diese Webseite. Ich überlege, ob ich da anrufe.“ Ich klicke. Ladezeit. Bild erscheint. Text. Lange Sätze. Fachbegriffe. Abstrakte Worte. Nach zwei Minuten Stille fragt sie: „Und?“ Ich: „Sag du es mir – was macht der Mensch da?“ Sie: „Irgendwas mit Konflikten … vielleicht Coaching? Oder Paartherapie? Oder beides? Keine Ahnung.“ Kommt dir das bekannt vor? Webseiten, die informieren wollen – aber nach drei Absätzen noch immer nicht klar ist, was das Angebot ist, für wen, und warum genau dort. Und dann – zur Ehrenrettung der Zunft – gibt es auch die anderen. Wer auf informative Webseiten geht, findet keine Worthülsen, sondern: ✅ Klare Botschaft ganz oben: „Ich unterstütze Sie bei der Lösung von Konflikten, Problemen, Lebenskrisen.“ Kein Blabla. Keine Wischi-Waschi-Sprache. Keine Selbstbeweihräucherung. Einfach ein...

Süßes, Saures - und die kleinen Drohungen im Alltag, oder: do ut des - was ischn des?

Halloween ist gerade vorbei, und trotzdem spukt das Prinzip weiter durch unseren Alltag: „Süßes, oder es gibt Saures.“ Du gibst etwas: Zeit, ein Kompliment, ein offenes Ohr – und irgendwo im Hinterkopf flüstert eine Stimme: „Na, ein kleines Danke wäre schon schön …“ Wir alle kennen das. Denn selten ist eine Gabe völlig frei von Erwartung. Manchmal ist es nicht nur Großzügigkeit, sondern ein unausgesprochener Deal. Oder, wie es die alten Römer so präzise nannten: "do ut des" – Ich gebe, damit du gibst. Jura, 1. Semester: "Gabe schielt nach Gegengabe." Ein Grundprinzip sozialen Miteinanders, und oft auch Anlass sozialer Missverständnisse. In Beziehungen, Freundschaften, Familien und Büros ist Geben selten einseitig. Natürlich sagen wir: „Ich mach das gern.“ Aber manchmal meinen wir: „Und du dann bitte auch, wenn’s drauf ankommt.“ Denn auch, wenn wir nicht mitrechnen, wir merken, wenn das Gleichgewicht kippt. Dann wird aus Geben ein stilles Fordern. Und aus ...

Segel setzen im Wind der Worte

Der Wind …  wo kommt er her, wohin zieht er?  Ist nicht auch die Sprache, das gesprochene Wort, wie der Wind?   Er kann sanft sein, er kann stürmisch sein – doch am Ende möchte er etwas mitteilen.   Und so, wie wir ihn aufnehmen, so, wie er bei uns ankommt, so setzen wir ihn gedanklich um – den Wind.   Und unsere Sprache? Sprache ist wie der Wind. Der Wind ist unsichtbar, und doch spüren wir seine Wirkung. Genauso verhält es sich mit der Sprache: Wir sehen die Worte nicht, doch sie erreichen uns, manchmal wie eine sanfte Brise, manchmal wie ein Sturm. Sanfter Wind: Ein freundliches Wort, ein ehrliches Kompliment oder ein liebevoller Zuspruch – sie kühlen, erfrischen, tragen uns. Wir fühlen uns gestärkt und verstanden. Stürmischer Wind: Ein harscher Ton, Kritik ohne Takt, verletzende Bemerkungen – sie reißen uns aus dem Gleichgewicht, können uns umwerfen oder zumindest ins Wanken bringen. Doch wie der Wind auf ein Segel trifft, so wirken au...

Gedankenknoten lösen: Vom Berg zum Kieselstein

Kennt ihr das? Du kommst nach einem ereignisreichen Tag nach Hause. Du setzt dich hin, der frisch aufgebrühte Relax-Tee dampft in der Tasse, und du lässt den Tag noch einmal Revue passieren. „Da sind sie wieder, meine drei Probleme …“ – man hört förmlich Otto Waalkes kichern. Aussichtslos, nicht zu bewältigen, wie soll das weitergehen? Das Gedankenkarussell dreht sich in Höchstgeschwindigkeit. „Warum immer ich?“, ist dein erster Gedanke. Es könnte doch alles so einfach sein – aber nein, nicht bei mir. Der Tee ist inzwischen gut durchgezogen, du lehnst dich zurück und wartest darauf, dass er seine magische Wirkung entfaltet, so wie es auf der Packung steht. Fehlanzeige! Kurz überlegst du, dem Hersteller eine wütende E-Mail zu schreiben, dass die versprochene Wirkung des Tees nur leere Worte sind – da geht die Tür auf. Dein Partner kommt, ebenfalls erschöpft von einem langen Tag. Er bemerkt sofort die Spannung, die in der Luft liegt, und sagt: „Wirkt der Tee heute nicht? Was ist passier...

Metallica oder Helene Fischer? – Wenn das Radio im Büro zum Konflikt wird

Montagmorgen, 9 Uhr, das Büro füllt sich langsam zur Teambesprechung und zum Start in die Woche. Die Kaffeemaschine brummt, Tastaturen klappern – und im Hintergrund läuft SWR 1 Hitparade. Gerade eben sang Reinhard Mey von „Über den Wolken“, als plötzlich Metallica mit harten Gitarrenriffs übernimmt. Kollege Sven reißt begeistert die Arme hoch: „Endlich mal richtige Musik!“ Kollegin Anita verzieht das Gesicht: „Das ist ja furchtbar, wie soll man denn dabei arbeiten?“ Noch bevor der Streit abebbt, folgt Helene Fischer mit „Atemlos durch die Nacht“. Jetzt verdreht auch Kollege Sven die Augen: „Das halte ich nicht aus.“ Und so sind die Fronten klar: Musikgeschmack im Büro – ein Konflikt, der mit schöner Regelmäßigkeit aufflammt, nicht nur hier bei uns. Musik hat eine unglaubliche emotionale Kraft. Was für den einen Motivation ist, bedeutet für die andere Stress. Die SWR 1 Hitparade liefert mit ihrer Mischung aus allen Genres eine perfekte Bühne für dieses Spannungsfeld: Von Oldies bis Roc...

Lob oder Lobhudelei – wenn Anerkennung das Team kippt

Vor vielen Jahren habe ich Auszubildende betreut. Junge Menschen sollte man mit Feingefühl auf das Arbeitsleben vorbereiten, schließlich hat jeder einen eigenen Charakter. Die einen sind wie ein zartes Pflänzchen, das man behutsam gießen und stärken muss. Andere brauchen eine klare, freundliche, aber bestimmte Anleitung. Diese Mischung hat immer gut funktioniert: Die Azubis hatten nicht nur ordentliche Noten in den Prüfungen, sie haben auch etwas fürs Leben mitgenommen. Heute begegnen mir jedoch neue Charaktere. Ohne ständiges Lob geht scheinbar gar nichts mehr! Und damit meine ich nicht ein „Das hast du gut gemacht“, sondern ausuferndes Lob, fast schon Lobhudelei. Das Sprichwort „jemanden über den Klee loben“ trifft es ganz gut. Stellt euch eine typische Arbeitssituation vor: Ein Gemeinschaftsprojekt steht an. Ideen werden gesammelt, Aufgaben verteilt, das Team legt motiviert los. Wie so oft gibt es ein bis zwei Personen, die das Hauptthema erarbeiten, während die anderen wichtige T...

Zwischen Achtsamkeit und Unruhe: Stillsitzen muss nicht immer gut sein

Loriot hat es schon vor Jahrzehnten auf den Punkt gebracht: Die Frau steht in der Küche beim Abwasch, der Mann sitzt im Wohnzimmer auf dem Sofa. Auf ihre wohlmeinenden Vorschläge – ein Buch lesen, spazieren gehen, fernsehen, irgendetwas tun – antwortet er nur beharrlich: „Ich will einfach nur hier sitzen.“ Ein Sketch, der damals zum Lachen brachte – und heute erstaunlich aktuell wirkt. Denn die Fähigkeit, „einfach mal nur zu sitzen“, scheint vielen Menschen verloren gegangen zu sein. Wir leben in einer Zeit, in der Stille fast schon verdächtig wirkt. Das Smartphone meldet sich mit Nachrichten. Podcasts, Playlists oder Streams laufen im Hintergrund. Selbst beim Warten an der Ampel greifen wir reflexartig zum Display. Es scheint, als hätten wir verlernt, uns selbst auszuhalten. „Nichts tun“ löst bei vielen sofort das Gefühl aus, Zeit zu verschwenden. Lieber lassen wir uns berieseln, beschäftigen uns – Hauptsache nicht stillsitzen. Doch genau diese Stille ist wertvoll. Wer sich im Wald ei...

6:4 gegen die Liebe – wenn Checklisten Beziehungen zerstören

In der letzten Mediation beklagte sich die Ehefrau darüber, ihr Mann erfülle ja schon länger nicht mehr die "Kriterien" und Anzeichen für wahre Liebe. Sie könne so nicht mehr in ihrer Ehe weiterleben. Zur Erklärung verwies sie auf unsere verblüffte Frage auf You-Tube, dort habe sie das "getestet". Wir alle kennen diese Videos auf YouTube: „10 Zeichen für die wahre Liebe“, „7 Möglichkeiten, Narzissten zu entlarven“. Coaches und Berater und selbsternannte Experten erklären dort, wie man Beziehungen besser versteht, oder glaubt, verstehen zu können. Doch was passiert, wenn jemand die „10 Zeichen der wahren Liebe“ tatsächlich wie eine Checkliste anwendet? Er prüft Punkt für Punkt, hakt ab, und kommt am Ende zu dem Ergebnis: 4 erfüllt, 6 nicht erfüllt. Also: 6 zu 4 gegen die wahre Liebe mit meinem Partner. Und genau hier schlägt das sog. Thomas-Theorem zu. „Wenn Menschen Situationen als real definieren, sind sie in ihren Folgen real.“ (William I. Thomas, 1928) Es ist...

Lenkrad & Lebensstil – was wir mit unserem Fahrstil kommunizieren

Ich glaube, einen Cadillac Escalade zu fahren ist wie Tango tanzen. Ich helfe euch gerne auf die Sprünge: Ein Cadillac Escalade ist ein ziemlich großes Ungetüm von SUV, das man ehrfürchtig „erklimmt“ und mit einer gewissen Hochachtung vorsichtig in Bewegung setzt. Anfangs fährt man eher ängstlich, fast zurückhaltend, nimmt mehr Rücksicht auf andere als auf sich selbst. Doch nach einiger Zeit wird man sicherer, selbst auf schmalen Straßen. Man „fordert“ den Gegenverkehr in gewisser Weise heraus, noch einmal über die Fahrzeugbreite seines eigenen Wagens nachzudenken … und die eigene Fahrspur im Bruchteil einer Sekunde neu zu berechnen. Und Tango? Jeder denkt: „Ein schwieriger Tanz! Niemand traut sich da ran …“ Der Tanzbereich, die schnellen Bewegungen, die Angst, Fehler zu machen. Unser Fahrstil und unser Tanzstil sind also mehr als reine Fortbewegung – sie sind Ausdruck unserer inneren Haltung. Ähnlich wie beim Tanz senden wir auch im Straßenverkehr durch unseren Fahrstil Botschafte...

Komplimente haben ein Verfalldatum, Beleidigungen eher nicht

Ein Treffen mit Freunden steht auf meinem gut gefüllten Terminplan. „Abendessen“ ist da rot markiert. Was hat mich nur veranlasst, alle Freunde zu mir nach Hause einzuladen? Zum Glück bringt jeder der Gäste etwas mit. Für mich bedeutet das: Die alleinige Küchenschlacht fällt heute aus. Durchatmen! Ich komme etwas früher nach Hause und beginne, den Tisch hübsch zu dekorieren. Passende Servietten, es wird ein mediterraner Abend. Das „i-Tüpfelchen“ fehlt noch. Ein Blick in den Garten, die Schere in der Hand – und schon schneide ich Kräuter und ein paar Blumen. Es entsteht ein Ensemble, nicht aufdringlich, aber liebevoll, auf dem bereits gedeckten Tisch. Ich bin zufrieden mit meinem Arrangement. Es bereitet mir Freude, etwas Einladendes, Behagliches zu gestalten. Die Gäste treffen ein. Das erste „Wow“ beim Anblick des Tisches lässt nicht lange auf sich warten. Lob über die Dekoration, die erste Flasche Wein wird geöffnet, ich seufze zufrieden. Balsam für die Seele. Dann kommt Uwe. Selbs...